Sternchenhimmel
war wütend auf sich selbst; noch wütender jedoch war er auf Cherry, weil diese ihm eine weitere niederschmetternde Demütigung zugefügt hatte. »Das ist das hässlichste Tattoo, das ich jemals an einer Frau gesehen habe, die nicht mit einer Motorradgang rumgevögelt hat. Was zum Teufel haben Sie sich dabei gedacht? Ihr Freund ist bestimmt begeistert.«
»Ich hab dabei eigentlich nur an meinen nächsten Gehaltsscheck gedacht«, erwiderte Ann.
Der Fotograf neigte den feuchten Kugelkopf zur Seite. »Hören Sie – keine Sirenen. Das ist ja seltsam«, meinte er. »Ich dachte, die hätten inzwischen bestimmt die Bullen gerufen.«
Ann pflichtete ihm bei, dass das merkwürdig sei. Nach dem, was vor dem Stefano geschehen war, sollten eigentlich in ganz South Beach die Streifenwagensirenen heulen.
Es sei denn, Janet Bunterman hatte etwas ganz Mieses und Unverzeihliches getan – wie zum Beispiel die Cops nicht davon in Kenntnis zu setzen, dass Ann in dem Geländewagen gesessen hatte. In diesem Fall würde das Verbrechen statt als Kidnapping als gewöhnlicher Autodiebstahl angesehen werden.
»Ich drehe ihr den Hals um«, murmelte Ann halblaut.
»Was?«
»Nichts.«
Bang Abbott griff nach seiner Kameratasche auf dem Rücksitz. »Ich fasse es nicht, dass Sie sie nie persönlich kennengelernt haben. Das ist doch total beknackt.«
»Ihre Betreuer glauben, sie würde es schlecht aufnehmen, wenn sie Bescheid wüsste.« Ann zuckte die Achseln. »Ist mir ganz recht so. Ich brauche keine neue beste Freundin.«
»Aber wenn sie mit einer Überdosis abkratzt, sind Sie Ihren Job los.«
»Na ja, es gibt ja noch den Broadway. Was wollen Sie von mir, Claude?«
»Sie werden schon sehen«, antwortete er. »Na los, checken wir ein.«
»Mein Gott, die werden denken, ich bin eine Nutte.«
»Nie im Leben. Pornostar? Schon eher.«
Die Pistole steckte, gut unter üppigen Bauchfalten verborgen, in Bang Abbotts Gürtel, als sie als Paar die Hotellobby betraten. Sobald sie in ihr Zimmer kamen, strebte Ann auf das Bad zu, schloss die Tür und drehte die Wasserhähne auf, um für Hintergrundgeräusche zu sorgen.
Dann setzte sie sich hin und holte hastig ihr Handy aus der winzigen schwarzen Handtasche, die einigermaßen zu ihrem Kleid passte. Sie musste aus Versehen auf Wahlwiederholung gedrückt haben, denn sie konnte es am anderen Ende der Leitung klingeln hören. Ein Mann meldete sich, und sie merkte, wie ihr Atem kurz stockte, als er sagte: »Was gibt’s, bezaubernde Annie?«
In diesem Augenblick fiel ihr wieder ein, was sie am Abend zuvor getan hatte, allein in ihrem Zimmer im Stefano, als sie einfach nicht aufhören konnte, an ihr großes Abenteuer auf der Straße nach Key West zu denken. Nach einem heißen Bad und drei Gläsern Cabernet hatte sie das Streichholzheftchen hervorgeholt, das ihr der Motorradfahrer im Krankenhaus gegeben hatte, das aus dem Last Chance Saloon. In einem halb beschwipsten Moment der Langeweile hatte sie die Nummer gewählt, die auf der Innenseite des Deckblatts stand – und hatte die Verbindung dann abgebrochen, ehe sich jemand melden konnte, erschrocken über ihre eigene Verwegenheit.
Und jetzt war er am Telefon.
»Sind Sie dran?«, fragte er mit diesem Vulkangrollen von Stimme.
»Ich brauche Hilfe«, flüsterte sie.
»Sagen Sie mir, wo Sie sind.«
Für Ann hörte es sich an, als renne er im Wind.
»Ein Comfort Inn in Miami Beach«, sagte sie.
»Klingt gemütlich.«
»Er heißt Claude. Er hat eine Pistole.«
»Aha.«
»Aber ich komme schon klar mit ihm«, meinte sie. »Fürs Erste.«
»Legen Sie auf und rufen Sie die Polizei an.«
»Mach ich …«
Die Tür flog auf, und da stand Bang Abbott, geduckt und mit hochrotem Gesicht. Zittrig zielte er mit der Pistole auf ihren Kopf. »Sie halten sich wohl für verdammt clever?«, brüllte er. »Her mit dem Ding!«
»Tun Sie, was er sagt«, wies die Stimme in Ann DeLusias Ohr sie an.
»Okay.«
»Keine Angst, Annie. Ich finde Sie.«
»Ausgezeichnet«, flüsterte sie und ließ das Handy zwischen ihren Knien hindurch in die Toilettenschüssel fallen.
12
Die Larks waren zweieiige Zwillinge, und während der ersten dreiunddreißig Jahre ihres Lebens war es leicht gewesen, sie auseinanderzuhalten. Lila hatte aschblondes Haar, blasse, zimtfarbene Sommersprossen und eine schmale Nase. Lucy hatte kastanienbraunes Haar, einen makellosen Teint und ein etwas kantiges Kinn. Sie waren gleich groß und hatten das gleiche Wolfslächeln, dank großer
Weitere Kostenlose Bücher