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Sternchenhimmel

Sternchenhimmel

Titel: Sternchenhimmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hiaasen
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Key Largo gewesen war. Wie ein geistig verwirrter Vagabund es geschafft hatte, ein Verbrechen von solcher Präzision zu planen und durchzuführen, war für den Detective zwar eine spannende Frage, aber es half ihm kein Stück dabei weiter, den Schuldigen zu identifizieren, geschweige denn, ihn zu finden.
    Der Detective hätte es noch spannender gefunden, dass zu den unwahrscheinlichen Fähigkeiten des grobschlächtigen Nomaden auch das Navigieren auf See gehörte. Und dass, während Reilly sich auf den Heimweg vom Büro machte, sein Verdächtiger gerade in einem gestreiften Donzi-Rennboot durch die Ozeanfinsternis jagte, irgendwo vor der Küste von Elliott Key.
    Wie sich herausstellte, war das Boot – das Skink von einem Anlegeplatz im Ocean Reef Club hatte – seit Monaten nicht mehr mit voller Fahrt gelaufen. Die Besitzer, die den Sommer auf Cape Cod und den Herbst in den Berkshires verbrachten, bezahlten nur zweimal im Jahr einen Mechaniker dafür, die großen Mercury-Zwillings-Außenbordmotoren zu warten. Der Mechaniker verließ mit dem Boot niemals den Anleger, er machte es sich lediglich mit einem Sixpack im Cockpit gemütlich und ließ die Motoren laufen. Manchmal brachte er auch eine Freundin oder eine Angelrute mit. Weil das Boot nie ablegte, bestand für den Mechaniker auch keine Notwendigkeit, die Tanks aufzufüllen, und so stellte Skink fest, dass die Treibstoffanzeige sich der Leermarke näherte, als Fowey Rocks gerade östlich von ihm vorbeiglitt.
    Das Glück ließ ihn auf eine achteinhalb Meter lange Aquasport stoßen, die von schadhaften Zündkerzen lahmgelegt worden war, welche der Gouverneur im Austausch gegen fünfundzwanzig Liter Treibstoff mit Freuden reparierte. Die Angler an Bord der Aquasport erschraken über sein zerlumptes Aussehen und auch über die Schrotflinte, doch sie bewahrten die Ruhe. Mit einem mitreißenden Melville-Zitat ließ er sie ihrer Wege ziehen, und sie tuckerten erleichtert nach Black Point zurück, wo ihre Ehefrauen schon seit Sonnenuntergang schmorten.
    Eine Seemeile vor der Küste von Miami Beach schaltete Skink die Motoren aus und öffnete eine Bierflasche, die er in einem Kühlschrank neben dem Fischkasten gefunden hatte. Als er zu dem glimmernden Neon-Filament des Ocean Drive hinüberstarrte, verspürte er ein jähes Zusammenkrampfen in seinen Eingeweiden, das nichts mit dem Wogen der Wellen zu tun hatte. Das Stadtleben brachte ihn aus dem Gleis; die Menschenmassen, die Mauern, die Lichter. Und diese ganz besondere Stadt war ein Minenfeld der Grobheiten und der Anmaßungen. Ganz bestimmt würde es zu Zwischenfällen kommen, zu Momenten schwindelerregenden Risikos, aber was blieb ihm anderes übrig?
    Annie war dort.
    Skink trank noch ein Bier und jaulte den Himmel an. Jahrzehnte des Einsiedlerdaseins hatten ihn gerade eben im Gleichgewicht gehalten, doch seine ungestümen Abneigungen hatten niemals nachgelassen. Seine Werte waren intakt gewesen, als er aus der Gouverneursvilla geflohen war, sein Idealismus jedoch war ausgelöscht, seine Geduld zu Staub zermalmt worden. Die Politik hatte seine Seele viel schlimmer durcheinandergebracht als der Krieg, und er hatte in Tallahassee nicht nur seinen Namen, sondern auch die in Misskredit geratenen Prinzipien der Nachsicht und des Kompromisses zurückgelassen. Die geliebte unberührte Wildnis seiner Kindheit war unter Porenbetonsteinen und Asphalt verschwunden, und genauso war auch der Rest des Staates verwandelt worden – war von gierigen Blutegeln übernommen worden, die sich als aufrechte Bürger tarnten. Aus seinen sumpfigen Verstecken schlug Skink zurück, wann immer sich die Gelegenheit dazu bot, und die Botschaft war niemals zweideutig. Sogar Drecksäcke wie Jackie Sebago kapierten, was er ihnen damit sagen wollte.
    Der Gouverneur lehnte sich zurück, blickte zu den Sternen empor und begann mit papierdünner Falsettstimme zu singen. Es war ein keltisches Schlaflied, das er von seiner längst verstorbenen Mutter gelernt hatte, doch er wusste noch jede Strophe auswendig. Als er fertig war, sang er es noch einmal.
    Dann drehte er den Zündschlüssel und steuerte das gestohlene Boot mit voller Fahrt auf South Beach zu.

14
    Am nächsten Morgen berief Maury Lykes ein Treffen aller Beteiligten ein und bestellte zwei Dutzend Sesambagel mit Räucherlachs und Frischkäse, während die ehemalige Cheryl Bunterman für das Cover von Us Weekly posierte. Chemos verspätetes Eintreffen schien nicht ohne Wirkung auf die normalerweise

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