Sternchenhimmel
unheimlich gut zielen«, meinte Bang Abbott. »Muss literweise Kaffee getrunken haben, bevor er das Haus verlassen hat – mir ist den ganzen Tag lang Pisse am Hals runtergelaufen.«
»Ersparen Sie mir die Details.«
»Und das Schlimmste daran war, dass ich kein Foto gekriegt hab. Was bedeutet, dass ich nicht bezahlt worden bin.«
»Armer Claude.«
»Ich mein ja nur. Jeden Cent, den ich mache, verdiene ich mir.«
Und er glaubte das auch. Ann griff lässig hinüber, nahm ihm die Pistole vom Schoß und richtete den Lauf auf seine glänzende Stirn. »Geben Sie mir den Handschellenschlüssel.«
Bang Abbott war verblüfft über ihre Kühnheit, doch er hatte keine Angst. Er dachte daran, was für ein tolles Foto das hier abgäbe – eine heiße Braut, die eine Hand ans Bett gekettet und in der anderen eine Pistole, mit der sie auf die Kamera zielte.
»Als ob Sie mich wirklich abknallen würden«, sagte er.
»Oh, das werde ich ganz bestimmt tun«, versicherte Ann, obwohl sie es auch nicht glaubte. Wenn der Kerl sie verprügeln oder ihr die Kleider vom Leib reißen würde, das wäre etwas anderes; sie würde nicht zögern, ihm eins zwischen die Augen zu verpassen.
Aber nicht wenn er einfach so dasaß, feist und verschwitzt wie immer. Auf keinen Fall.
»Ich mein’s todernst«, sagte sie.
»Ann, geben Sie mir die verdammte Knarre.«
»Machen Sie die Handschellen ab, oder ich schwöre bei Gott …«
Es war demütigend, dass Claude keinerlei Furcht zeigte, nicht einmal ein Zucken. Eine tolle Schauspielerin bin ich, dachte Ann.
»Ich zähle bis fünf«, verkündete sie.
»Versuchen Sie’s mit tausend.«
Der Colt war schwer, und Anns Hand begann zu zittern. Bang Abbott bemerkte es sofort.
»Schauen Sie sich doch mal an«, sagte er feixend.
Mit dem Daumen spannte sie den Hahn, so wie sie es in Western immer machten. In ihrer Fantasie sah sie sich als Christian Bales’ Figur in Todeszug nach Yuma.
»Claude, es wird langsam Zeit.«
»Ach, Herrgott noch mal«, knurrte er.
Bang Abbotts Erfahrungen im Umgang mit entsicherten Feuerwaffen waren mit denen seiner Geisel vergleichbar, die überhaupt keine hatte. Er packte den Lauf und zerrte, mit unbefriedigendem Resultat. Die Hand des Paparazzos war so glitschig vor Schweiß, dass er abrutschte, was aufgrund reiner Physik eine Erschütterung auf die Waffe und auf Ann DeLusias Griff um dieselbe bewirkte.
Bang Abbott wiederum wurde von der Lautstärke des Schusses erschüttert und von der Tatsache, dass die verrückte Tussi tatsächlich abgedrückt hatte. Einen Augenblick lang merkte er nicht einmal, dass er getroffen worden war.
Der erste Hinweis darauf war das blutige Ding, das an der Decke des Hotelzimmers klebte. Mit grimmiger Neugier schaute er zu ihm empor; die Wucht des Pistolenschusses hatte ihn flach auf den Rücken geschleudert. Bald konnte er das Objekt an der Decke deutlich erkennen, und Bang Abbott begriff, dass er ein kleines, klebriges Stück von sich selbst anstarrte.
Ein ziemlich wichtiges Stück, wie sich herausstellte.
19
Ned Bunterman war kein dominanter Bühnenvater. Es war seine Frau, unter deren Führung Cherry vom niedlichen Talentshow-Fratz zum Megastar geworden war; Ned Bunterman hatte aus der Kulisse staunend zugesehen. Zu behaupten, seine Tochter täte sich schwer, einen Ton zu treffen, war milde ausgedrückt. Sie konnte ums Verrecken nicht singen.
Doch ihr tonloses, anämisches Gepiepse hatte keine Rolle gespielt, weil Janet Bunterman und Maury Lykes höchstclever einen Look und eine Pose vermarktet hatten, die keinerlei stimmliches Können erforderten. »Die GVF -Marke« – Gerade Volljähriges Flittchen – nannte Maury das, deren wichtigste Zutat eine Aura unbekümmerter Bumsbarkeit war. So etwas zu verkaufen wurde einem durch die fortschrittliche Technik des modernen Musikmachens leichter gemacht: In ihren Aufnahmen präsentierte die ehemalige Cheryl Bunterman die perfekte Tonlage und ein Organ, das einer Baptistenchorsängerin zur Ehre gereicht hätte. Die Stimme, von Computerprogrammen und Backup-Sängerinnen engelsgleich hervorgehoben, war für ihren Vater absolut nicht wiederzuerkennen, der sich damit zufriedengab, hinter den Kulissen das Geld anzuhäufen.
Bevor aus Cheryl Cherry Pye wurde, hatte Ned Bunterman für ein Cadillac/Saturn/Hummer-Autohaus in der Nähe von Houston die Bücher geführt. Er war kein gebürtiger Texaner, war aber mit Anfang zwanzig dorthin gezogen, auf der Flucht vor einer schwangeren Freundin, deren
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