Sterne der Karibik: Roman (German Edition)
unwichtig geworden, seit Hermann nicht mehr Hermann war und sie so viel zu tun und zu entscheiden hatte.
»Haben Sie schon einmal daran gedacht, nach Deutschland zu gehen?«, fragte er. »Don Hermann würde dort vielleicht genesen. Zumindest aber müssten Sie sich nicht mit den Dingen herumschlagen, mit denen Sie es hier zu tun haben.«
Mafalda schüttelte den Kopf. »Deutschland. Was sollen wir dort? Ich bin Portugiesin, spreche die Sprache Deutschlands nicht. Und Hermann … nun … er wird mir keine große Hilfe sein können. Nein, ich fürchte, das kommt nicht in Frage.«
»Sie hätten dort viel weniger Sorgen. Ich weiß, dass Hermann Geld auf einer deutschen Bank liegen hat. Es ist nicht mehr allzu viel, aber für den Anfang sollte es reichen. Denken Sie noch einmal darüber nach.«
Mafalda war erstaunt, dass Groth über Hermanns Finanzen informiert war. »Ist es nicht möglich, das Geld hierher nach Kuba zu holen?«, wollte sie wissen.
Groth schüttelte den Kopf. »Es ist fest angelegt. Auszahlbar vor der vereinbarten Zeit nur in Deutschland. So hat es Don Hermann seinerzeit bestimmt. Er wollte einen Notgroschen haben. Und er hat immer betont, dass er eines Tages zurück nach Deutschland gehen würde. Deshalb diese Verfügungen.«
Mafalda bat jetzt doch um ein Glas Wasser. Doch noch ehe das Hausmädchen das Getränk brachte, schüttelte sie energisch den Kopf. »Wir können nicht nach Deutschland gehen. Titine ist hier. Wir versuchen seit Jahren, Kontakt zu ihr aufzunehmen, aber es gelingt uns nicht. Hermann würde niemals ohne seine Schwester die Insel verlassen. Und dabei ist es gleichgültig, ob sie mit uns spricht oder nicht.« Sie knetete ihre Hände im Schoß. Schließlich straffte sie ihre Schultern und blickte Joachim Groth direkt ins Gesicht. »Ich bin gekommen, Don Joachim, um Sie um Ihre Hilfe zu bitten. Wir brauchen Melasse. Bitte leihen Sie uns etwas Geld. Sie wissen, dass Sie es wiederbekommen. Sie selbst haben mir gesagt, dass noch Geld in Deutschland liegt. Bitte, helfen Sie uns.«
Groth wich zurück und presste eine Hand auf seinen Bauch, als hätte er große Schmerzen. Er schwieg, starrte vor sich hin auf seinen Schreibtisch. Erst nach einer schier endlosen Weile sah er auf. »Gehen Sie nach Deutschland. Ich bitte Sie, Mafalda. Verlassen Sie das Land. Ich kann Ihnen Schiffspassagen besorgen. In vier Tagen legt ein Dampfschiff ab, das sie nach Hamburg bringen kann.«
Mafalda legte den Kopf schief. »Warum sind Sie so erpicht darauf, dass wir das Land verlassen? Trauen Sie mir nicht zu, die Manufaktur auch ohne Hermann führen zu können?« In ihren Augen blitzte Zorn.
Groth hob die Hände. »Nein, nein, das ist es nicht. Bitte glauben Sie mir. Wenn ich jemandem zutraue, eine Rumfabrikation gut zu führen, dann sind Sie das. Aber ich kann Ihnen nicht helfen. Gehen Sie nach Deutschland zurück. So bald als möglich.«
»Warum? Warum drängen Sie mich so, Don Joachim?«
Groth schwieg.
Mafalda suchte in Groths Gesicht nach einer Antwort auf ihre Frage, doch es war nur schmerzvoll verzogen, als würde er mehr unter seiner Absage leiden als Mafalda selbst.
»Sie wollen mir kein Geld leihen? Habe ich Sie da richtig verstanden?«
Groth breitete die Arme aus. »Ich kann nicht, meine Liebe, so gern ich es auch täte.«
Zu gern hätte Mafalda nach dem Grund gefragt, doch das Gesicht des Kaufmannes verbot so eine Frage.
»Kein Geld? Keine Melasse? Und ich denke, Sie würden auch nicht noch einmal für uns mit Mister Carpenter sprechen? Sehe ich das richtig?«
Groth zuckte unter ihren klaren Worten zusammen. Dann aber nickte er. »Ich kann nichts für Sie tun. Gar nichts.«
Mafalda stand auf. »Ich habe es nicht erwähnen wollen, Don Joachim. Aber Hermann und Titine haben Ihren Kindern das Leben gerettet. Sie stünden auf ewig in ihrer Schuld, das haben Sie selbst oft genug beteuert, wenn Sie uns in Trinidad besucht hatten. Was ist jetzt mit Ihrer Schuld? Können Sie wirklich zusehen, wie wir unsere Existenz verlieren?«
Diese Worte hatten Mafalda beinahe allen Stolz gekostet. Mit vor Verlegenheit hochrotem Gesicht stand sie vor dem Handelsherrn.
Groth hockte hinter seinem Schreibtisch wie ein gefällter Baum. Verzweifelt streckte er wieder die Arme aus. »Ich kann nicht. So gern ich auch wollte, ich kann einfach nicht«, sagte er. Dann holte er seine Geldbörse aus der Rocktasche, entnahm ihr alle Scheine und streckte sie Mafalda entgegen. »Da! Nehmen Sie das. Ich weiß, es ist nicht
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