Sterne der Karibik: Roman (German Edition)
»Sehr wohl, Doña.« In Windeseile füllte er vier Gläser und legte einen kleinen Block und einen Bleistift vor Mafalda auf die Theke.
Mafalda leckte sich die Lippen, die vor Aufregung ganz trocken geworden waren. Dann zeigte sie auf eines der Gläser. »Fangen Sie an. Erzählen Sie schon. Was ist das für ein Rum?«
Der Barkeeper griff nach der Flasche. »Bacardi-Rum, 1865.«
Mafalda notierte das auf ihrem Zettel, dann griff sie nach dem Glas und trank den Rum in einem Zug. Sie schmeckte nach, verzog ein wenig das Gesicht. »Er brennt«, stellte sie fest. »Bestimmt ist er nur einmal gebrannt. Ein Zeug für arme Leute. Wer, in aller Welt, trinkt so etwas?«
Der Barkeeper lächelte. »In den letzten Jahren sind ein paar Chinesen ins Land gekommen. Als billige Arbeitskräfte. Einige von ihnen trinken diesen Rum besonders gern.«
Mafalda schüttelte den Kopf. »Bestimmt, weil er billig ist.«
Der Barkeeper verzog keine Miene.
Mafalda wies auf das nächste Glas. »Was ist das für einer?«
»Auch ein Bacardi. In Eichenfässern gelagert. Etwas älter als der erste.«
Wieder hob Mafalda das Glas und goss das Getränk hinunter. »Hm, schon besser, aber noch immer nicht gut. Er brennt nicht ganz so stark, aber der Abgang ist viel zu scharf.«
Sie warf ein paar Notizen auf das Papier. »Wer trinkt das?«
»Die chinesischen Vorarbeiter. Und manchmal die normalen Habañeros, wenn sie auf dem Weg von der Arbeit auf einen Drink hier haltmachen.«
Mafalda schüttelte den Kopf. »Fusel. Nichts als Fusel. Unserer war besser. Das nächste Glas, bitte.«
In einem ledernen Clubsessel in einer versteckten Nische saß ein Mann und las in der Zeitung. Immer mal wieder ließ er das Blatt sinken und betrachtete das, was an der Theke vor sich ging. Dann rief er einen Kellner zu sich.
»Ja, Don?«
»Die Frau da an der Theke. Was macht sie da?«
Der Kellner schüttelte den Kopf. »Nun, Don, ich weiß es nicht.«
»Dann finden Sie es heraus, verdammt.«
»Jawohl, Don.« Der Kellner verneigte sich und wollte sich auf den Weg machen, aber der Mann hielt ihn am Arm fest. »Ist sie öfter hier?«
»Die Dame an der Bar?«
»Sehen Sie hier sonst noch eine Frau, die offensichtlich keine Hure ist?«
»Nein, Don.«
»Was nein?«
»Ich verstehe nicht, Don.«
Der Mann verdrehte ungeduldig die Augen. »Ist sie öfter hier, ja oder nein?«
»Ich habe diese Dame hier noch nie gesehen«, erklärte der Kellner.
Der Mann wedelte ungeduldig mit der Hand. »Und jetzt machen Sie voran. Ich will wissen, was genau sie hier treibt.«
Während der Kellner an die Theke eilte, ließ der Mann die Zeitung sinken und musterte die Frau von oben bis unten. Sein Blick weilte auf ihrem nachlässig frisierten Haar, auf dem ein wenig abgetragenen Kleid und blieb schließlich an den Schuhen hängen, deren Absätze leicht abgelaufen waren. Sie hielt den bestickten Stoffbeutel über ihrem Arm, während sie schrieb.
Der Mann lächelte zufrieden und sprach leise vor sich hin: »Na bitte, wer sagt es denn. Mafalda Fischer hat schon bessere Zeiten gesehen. Der Verfall macht sich allmählich bemerkbar. Aber noch habe ich sie nicht da, wo ich sie haben will.«
In diesem Augenblick eilte der Kellner zurück zu Rick Woolf. »Mein Herr, die Dame probiert sämtliche Rumsorten im Angebot durch.«
Woolf grinste. »Sehr schön. Dann sorgen Sie bitte unauffällig dafür, dass ihr der Barmann immer einen doppelten statt einem einfachen Rum einschenkt. Ich übernehme selbstverständlich die komplette Rechnung.« Er hob einen Finger an die Lippen und funkelte den Kellner drohend an. »Aber kein Wort zu der Dame. Wenn sie mit ihrer Rumprobe fertig ist, wird sie ohnehin nicht mehr in der Lage sein, für irgendetwas zu bezahlen.« Und leiser fügte er hinzu: »Eine gute Gelegenheit, ihr meine Rechnung unterzuschieben.«
»Don?« Der Kellner beugte sich ein wenig nach vorn, weil er die letzten Worte seines Gastes nicht verstanden hatte.
Rick Woolf aber wedelte ungeduldig mit der Hand. »Was wollen Sie denn noch hier? Verschwinden Sie. Wenn ich einen Wunsch habe, werde ich Sie rufen, verstanden?«
»Sehr wohl, Don.« Der Kellner eilte beflissen davon, und Rick Woolf streckte seine langen Beine genüsslich aus, zündete sich eine Havanna-Zigarre an und wirkte, als erwarte er heute Abend noch eine sehr angenehme Vorstellung.
Sechzehntes Kapitel
T itine war nun schon einige Tage unterwegs. Die Steine, die sie mit Kälberstricken an ihren Fußgelenken befestigt hatte,
Weitere Kostenlose Bücher