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Sterne der Karibik: Roman (German Edition)

Sterne der Karibik: Roman (German Edition)

Titel: Sterne der Karibik: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrice Fabregas
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letzte. »Mama?«, fragte sie wie ein Kleinkind. »Mama?«
    Dann entschwand ihr Geist, zog sich einfach zurück, weil die Welt zu schrecklich geworden war, um sie auszuhalten. Titine kroch zurück in den Leib ihrer Mutter, verkroch sich in sich selbst, unerreichbar für alle und jeden.
    Dr. Winkler hielt ihr einen Löffel mit Medizin vor die Nase. Sie erkannte den Geruch von Laudanum. Gierig schnappte sie danach. Laudanum, das Opiumpräparat, würde ihr Vergessen bringen. Sie sehnte sich nach Schlaf, nach Vergessen, nach dem Tod mit aller Kraft, die in ihr wohnte. Sie schluckte das Laudanum, schloss die Augen und ließ sich willig in den grauen Nebel gleiten, ließ sich locken von den Sirenen, die leise ihren Namen riefen und mit dem Totenkleid winkten.

    »Was ist mit ihr? Um Gottes willen, Andreas, jetzt sag endlich, was mit meiner Schwester ist.« Hermann rang noch immer die Hände, lief auf und ab, drei Schritte nach vorn, vier Schritte zurück, und fühlte sich so schuldig am Leid seiner Schwester, als hätte er ihr das Kind schon genommen. »O mein Gott, das wollte ich nicht, das wollte ich nicht. Es tut mir leid, es tut mir so leid. Sie hat es Fela doch gesagt. Warum lag sie sonst draußen? Sie muss es ihm gesagt haben. O mein Gott. Genau das wollte ich verhindern. Er weiß jetzt, dass eine Weiße ein Kind von ihm bekommt. Herr im Himmel, was wird er daraus machen?«
    Es schien, als hätte Hermann vergessen, dass er vor sehr kurzer Zeit noch selbst daran gedacht hatte, Titine das Kind zu nehmen, den Liebsten zu vergraulen. Warum, dachte er jetzt, ist mir die Situation nicht recht? Ein Leichtes wäre es doch, Titine nun das Kind zu nehmen. Aber er konnte seine Schwester nicht leiden sehen. Er konnte es einfach nicht. Viel zu sehr liebte er sie dafür. In diesem Augenblick begriff er es. Er wollte sie glücklich und gesund sehen, und er hasste jeden, der seiner Schwester ein Leid antat.
    Mafalda legte ihm energisch eine Hand auf die Schulter. »Hör auf damit!«, herrschte sie ihn an. »Du hast ihr nichts getan. Offiziell wusstest du nicht einmal, dass sie schwanger ist.«
    »Was hat sie sich nur angetan? Oh, wenn ich nur früher mit ihr gesprochen hätte! Wenn wir sie doch nur eingesperrt hätten, damit sie diesen Mistkerl nicht zu sehen bekommt.« Hermann konnte sich nicht beruhigen.
    »Mafalda hat recht«, erklärte jetzt auch der Arzt. »Es nützt niemandem, wenn du jetzt ebenfalls schlappmachst.« Er klang streng und schüttelte Hermann ein wenig. Das half. Hermann atmete tief ein und aus, warf noch einen besorgten Blick auf Titine, die dalag, als wäre sie tot. Er fragte: »Was ist los mit ihr? Was hat sie?«
    Dr. Winkler zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nicht, was genau geschehen ist, aber sie hatte einen Zusammenbruch. Die Nerven. Sie muss etwas Schreckliches erlebt haben.«
    »Etwas Schreckliches? Aber was denn?« Hermann schaute Mafalda fragend an. »Weißt du etwas? Hat sie dir etwas gesagt? Was, in aller Welt, soll sie denn hier Schreckliches erlebt haben?«
    Mafalda schüttelte den Kopf. Sie ahnte etwas, ahnte, dass Fela damit in Zusammenhang stand. Aber das würde sie morgen selbst in Erfahrung bringen. »Nichts weiß ich«, erklärte sie. »Aber wir müssen damit rechnen, dass Titines Zustand nun unter den Sklaven bekannt wird. Welche Auswirkungen das auf uns hat, vermag ich mir nicht auszumalen.«
    Sie rückte einen Sessel neben Titines Bett. »Ich werde bei ihr wachen«, teilte sie den beiden Männern mit. »Wenn wir jetzt nichts mehr für sie tun können, ist es wohl Zeit zum Schlafen. Es ist schon spät, und du, Hermann, hast morgen viel zu tun. Du musst den Notar holen, damit er die Freilassungsurkunden ausstellen kann. Die Zeit drängt mehr denn je. Nach allem, was mit Titine passiert ist.«
    »Ach ja!« Hermann griff sich an die Stirn, dann brachte er Dr. Winkler zur Tür und ließ Mafalda und Titine allein zurück.
    Mafalda lehnte sich im Sessel zurück, zog die Beine unter ihren Körper, stützte den Arm auf die Lehne und den Kopf in die Handfläche und betrachtete Titine. Bleich war sie, bleich wie Marmor. Bläuliche Adern zeichneten sich auf ihrer zarten Stirn ab. Ihre Lider flatterten, als träumte sie schlecht. Und immer wieder quollen Tränen aus ihren Augen. Kann man weinen, wenn man schläft?, fragte sich Mafalda. Sie strich sanft über die Bettdecke, aber Titines Atem ging jetzt so rasch und keuchend, als würde sie sehr schnell laufen. Mafalda stand auf, holte einen

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