Sterne der Karibik: Roman (German Edition)
ich noch immer. Mein ganzes Leben lang werde ich sie lieben und schützen wollen.« Er verstummte, dann fügte er hinzu: »Sie und mein Kind.«
»Ich dachte es mir. Aber wenn du sie so grausam schützen musstest, dann sind wir alle in Gefahr, oder nicht?«
Fela antwortete nicht auf ihre Fragen, sondern flehte: »Bringen Sie sie weg, Doña. Bringen Sie sie weit weg. Noch heute Nacht.«
Dann löste er von seinem Hals ein schmales Lederband, an dem ein durchbohrter Löwenzahn hing, und legte das schlichte Schmuckstück über Titines gefaltete Hände.
»Bitte, Doña, geben Sie gut auf sie acht«, bat er. »Ich muss jetzt gehen. Beeilen Sie sich; es bleibt nicht viel Zeit.«
Mafalda nickte. Dann reichte sie Fela die Hand. »Du bist sehr mutig, Fela. Riskierst dein eigenes Leben für Titine. Wir werden dir das nicht vergessen.«
Der junge Mann nickte, warf noch einen letzten glühenden Blick, in dem alle seine Gefühle erkennbar waren, auf Titine, dann verließ er das Herrenhaus auf dem selben Weg, den er gekommen war.
Kaum war die Tür hinter ihm ins Schloss gefallen, eilte Mafalda zu Hermann, der noch immer mit Dr. Winkler im Patio saß und Rum trank.
»Was ist los, meine Liebe?«, fragte Hermann, als er sie so atemlos sah, und griff nach ihrer Hand. »Ist etwas mit Titine?«
»Ja. Nein. Wir müssen weg.«
»Wie bitte? Was sagst du da?«
Mafalda holte tief Luft, presste eine Hand auf ihr wie rasend schlagendes Herz und zwang sich zum langsamen Sprechen. »Wir müssen weg. Die Sklaven, sie haben etwas geplant. Ich weiß nicht, was. Ich weiß nur, dass wir uns alle in Sicherheit bringen müssen.«
Hermann nickte, als hätte er es geahnt. »Im Osten brennen die Felder«, erklärte er leise. »Eine Armee aus über eintausend Rebellen hat sich mittlerweile zusammengefunden. Ich habe es eben von Andreas Winkler gehört. Sie überziehen den Osten mit Brandschatzung und Terror. Einige der Plantagenbesitzer, die sich zur Wehr setzten, wurden getötet. Aufgehängt an den Straßenbäumen wie rebellische Neger.«
Hermann wandte sich an seinen Freund. »Ich dachte nicht, dass sie so schnell kommen, aber gerechnet habe ich damit.«
Dr. Winkler zuckte mit den Schultern. »Ich bleibe«, erklärte er. »Ich bin sicher, dass hier alsbald ein Arzt gebraucht wird. Sie werden mir nichts tun.«
»Ich bleibe ebenfalls«, teilte Hermann mit. »Dies ist mein Besitz. Es wird Zeit, dass ich um ihn kämpfe.«
Er wandte sich an Mafalda. »Ich weiß aber, wohin ihr gehen könnt. Wir haben Freunde in Havanna. Joachim Groth. Du kennst ihn, Mafalda. Er ist auch dir ein Freund. Gleich morgen früh soll Ignazio euch und Richard zur Eisenbahn bringen.«
Mafalda schüttelte den Kopf. »Wir sollen uns beeilen, sollen heute noch weg.«
Hermann runzelte die Stirn. »Wer sagt das?«
»Fela. Er war bei uns, hat uns gewarnt.«
Hermann nickte. »Fela also. Er wird wissen, was die anderen vorhaben. Wir sollten auf ihn hören.«
Dr. Winkler hob die Hand. »Titine, Mafalda und auch Richard können bei mir übernachten. Und ich werde auch dafür sorgen, dass sie morgen sicher mit der Eisenbahn nach Havanna gelangen. Für Titine wird das eine große Anstrengung werden, aber eine andere Möglichkeit gibt es nicht. Geh, Mafalda, pack ein paar Sachen zusammen. In einer halben Stunde brechen wir auf.«
Mafalda gab Hermann einen Kuss, dann begab sie sich in ihr Zimmer, um zu tun, was der Doktor ihr aufgetragen hatten.
»Sie sind schneller, als ich gedacht hatte«, bemerkte der Arzt, als er mit Hermann allein war.
»Alles entwickelt sich rascher als gedacht«, erwiderte der Zuckerbaron. »Aber eigentlich hätten wir es kommen sehen müssen.«
»Wie meinst du das?« Der Doktor zündete sich eine Zigarre an. Äußerlich wirkte er ruhig, doch das leichte Zittern seiner Hände verriet die Nervosität.
»Die letzten Jahre haben der Insel ungeheuren Reichtum gebracht. Amerika hat einen so hohen Verbrauch an Zucker, Kaffee und Kakao, dass die meisten Grund- und Plantagenbesitzer unermesslich reich geworden sind. Ich nehme mich da nicht aus. Das weißt du selbst, hast es mir ja kürzlich selbst vorgeworfen. Den Reichtum aber haben die Sklaven erwirtschaftet. Jeder Einzelne von ihnen hat schwerer geschuftet als ich. Die anderen spanischen Kolonien haben sich vom Mutterland losgesagt. Denk nur an Haiti, an die Aufstände dort, denk an Jamaika. Die Sklaverei ist seit Jahren verboten. Der Sklavenhandel ebenso. Trotzdem haben wir munter weiter Sklaven
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