Sterne der Karibik: Roman (German Edition)
die richtige Entscheidung zu treffen. Sie könnten zusammen im Verwalterhaus wohnen, und wenn Fela will, so soll er den Ingenio verwalten. Zumindest, was die Tiere betrifft. Viehwart oder so etwas könnte er werden. Sie hätten ein gutes Auskommen. Am Anfang würden sich die Weißen und die Kreolen die Mäuler zerreißen, aber irgendwann hätten sie genug davon.« Er lachte wieder so lauthals wie seit Wochen nicht mehr.
»Ja, und die anderen Sklaven könntest du auch freilassen.«
Hermann runzelte die Stirn. Sein Gesicht wurde ernst, abweisend. Er hob die Hand, fuhr damit durch die Luft. »Schluss jetzt mit den Märchen. Ich lasse mich nicht zum Hanswurst machen. Und ein Mann wie Céspedes bin ich auch nicht. Die Sklaven freilassen, was denkst du dir nur dabei?«
»Damit sie keinen Grund haben, den Ingenio niederzubrennen.«
Mafalda nickte lächelnd, hatte noch nicht verstanden, dass Hermanns Gelächter der blanke Hohn gewesen war. »Du kannst ihnen ihre Freilassungsurkunden aushändigen. Du lässt auch sie tun, was sie schon immer wollten. Die meisten von ihnen haben keine Ahnung, was Freiheit bedeutet. Woher auch? Viele sind als Kinder auf die Insel gekommen. Sie müssen wohnen, essen, trinken.«
»Augenblick, Augenblick, nicht so schnell!« Hermann bedachte Mafalda mit einem verwunderten Blick. Bisher hatte er ihre Gedanken für töricht gehalten, für romantisch auf eine Art, die ihm nichts einbrachte. Jetzt begriff er, dass sie weiter gedacht hatte als er. Er lächelte sie an, ein wenig ungläubig und sehr gespannt.
»Du meinst, ich kann die Leute entlassen und danach wieder einstellen?«
Mafalda erwiderte sein Lächeln. »Aber ja. Du stellst sie ein, zahlst ihnen einen Lohn, vermietest ihnen die Hütten, verkaufst ihnen Lebensmittel und Milch und alles, was sie sonst noch brauchen. Du tust genau das, was du immer für sie getan hast. Nur mit dem Unterschied, dass sie ihr Los selbst bestimmen und du am Ende womöglich sogar noch ein wenig an ihnen verdienst oder zumindest dafür sorgst, dass sie die paar Peseten, die sie bei dir verdienen, auch bei dir wieder ausgeben. Denk allein an den Rum, den du ihnen bisher umsonst ausgeschenkt hast. Als freie Männer und Frauen müssen sie dafür natürlich bezahlen.«
Hermann klappte der Mund auf. Er starrte Mafalda an, als hätte er sie noch nie gesehen, während sie bescheiden den Blick senkte. »Verzeih mir bitte, wenn ich törichte Dinge gesagt habe«, flüsterte sie. »Du weißt, ich bin nur ein Weib. Alles, was ich von der Welt und von Geschäften weiß, hast du mir erst beibringen müssen.« Sie sah auf und klapperte ein wenig ängstlich mit den Lidern, als fürchte sie, ihr Mann würde sie sogleich eine dumme Gans schelten. Doch in ihren Augen glitzerten der Stolz und die Gewissheit, einen guten und klugen Vorschlag gemacht zu haben.
»Das ist brillant. Und wer nicht bleiben will, wer lieber kämpfen will, der wird fortgehen. Er wird nicht den Ingenio niederbrennen, auf dem seine Brüder und Schwestern leben.«
»Genau. So hast du nicht nur die Aufständischen beschwichtigt und deinen Ingenio vor dem Ruin bewahrt, du hast dich obendrein an die Gesetze gehalten, die ja die Sklaverei verbieten, und profitierst am Ende womöglich sogar noch mehr, als wenn du die Sklaven kaufst. Denk nur an die Alten, an die Kinder, an die Kranken. Auf einen Schlag wärest du sie los.«
Hermann nickte und nickte und strahlte dabei wie lange nicht mehr. Dann blickte er seine Frau an. »Oh, Mafalda, du hast mir so gefehlt in den letzten Wochen. Ich hatte beinahe schon vergessen, wie sehr ich dich liebe.«
Mafalda schluckte. Der Stimmungsumschwung kam so überraschend, dass sie nicht wusste, was sie davon halten sollte. Hoffnung keimte in ihr auf. Hatte sich wirklich etwas verändert? Nun, sie würde es noch früh genug erfahren. Warum aber nicht jetzt einmal ein bisschen glücklich sein, sich mit Hermann verbunden, sich ihm nahe fühlen?
»Jetzt, da das vorbei ist, kannst du mir sagen, warum du so trübsinnig warst?«, fragte sie vorsichtig, achtete dabei auf jede Regung ihres Mannes, auf jeden Lidschlag.
Hermann dachte einen Augenblick nach, ehe er antwortete: »Ich hatte den Eindruck, ich habe alles geschenkt bekommen: den Ingenio, meine wunderbare Frau. Als wären mir alle diese Kostbarkeiten einfach in den Schoß gefallen. Vielleicht hatte ich heimlich Angst, euch alle zu verlieren. Verstehst du? Ich habe nicht um euch kämpfen müssen, habe euch nicht erobert. Ihr
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