Sterne der Karibik: Roman (German Edition)
kühlen, feuchten Lappen und legte ihn Titine auf die Stirn. Dann nahm sie ihre Hand und drückte sie sanft. »Was hast du nur? Was ist geschehen?«
Titine warf den Kopf hin und her. Einmal raunte sie etwas, und Mafalda meinte, Felas Namen zu hören. Sie kühlte Titines Stirn, und als sie sich ein wenig beruhigt hatte, ihr Atem gleichmäßiger ging, lehnte sich Mafalda in ihren Sessel zurück und wachte über die Freundin und Schwägerin.
Zehntes Kapitel
H eute Nacht. Noch heute Nacht. Wir schlagen los, sobald im Herrenhaus alle Lichter verloschen sind.« Herrero ließ sich nicht beirren.
Fela stand vor ihm, bat, flehte, bettelte, den Ingenio zu verschonen. »Reicht es nicht, die Felder zu verwüsten?«
»Nein, und das weißt du genau.«
»Dann die Tiere. Wir werden die Tiere freilassen. Ohne Zucker und ohne Tiere ist der Ingenio am Ende.«
Herrero schüttelte den Kopf. »Wir werden es genauso machen wie unsere Brüder im Osten. Dort steht alles in Flammen. Die Weißen und die Kreolen da unten sind anders als unsere Herren hier. Sie haben sich zum Teil unserem Kampf angeschlossen. Das wird von den Trinidader Zuckerbaronen niemand tun. Sie werden auf uns schießen. Sie werden uns töten, wenn wir sie nicht zuerst töten. Wir haben keine Wahl.«
»Dann verschon wenigstens die Frauen. Doña Mafalda hat unter dem letzten Besitzer selbst wie eine Sklavin gelebt. Und Titine. Du weißt, sie ist die Tochter Yewas.«
Herrero zuckte wieder mit den Schultern. »Als Tochter Yewas ist sie die Tochter der Todesgöttin, der Wächterin über die Friedhöfe. Es ist ihr bestimmt, zu sterben. Sie wird nicht richtig sterben, nicht wie wir. Für sie wird es sein wie eine Heimkehr zu ihrer Mutter.«
Fela hatte nicht vorgehabt, sein Geheimnis zu lüften, aber jetzt tat er es. Als letzte Möglichkeit, Titine zu retten. »Sie ist schwanger«, sagte er leise und eindringlich. »Sie bekommt ein Kind von mir.«
»Was?« Herrero fiel die Kinnlade herunter. »Ein Kind? Von dir? Reicht es ihnen nicht, uns das Leben zu nehmen? Wollen sie uns auch um unsere Kinder bringen?«
Fela starrte den schwarzen Schmied verständnislos an. »Aber nein, nein, so ist es nicht. Es ist einfach passiert. Du selbst hast mich doch zu ihr geschickt.«
Herrero straffte die Schultern und blickte Fela an, als hätte er die Sache, die Brüder, kurz alles, verraten. »Dein Samen gehört dir. Du hättest ihn niemals an eine Weiße verschwenden sollen. Nun muss sie erst recht sterben. Unmöglich, dass sie einen von uns, und sei es auch nur ein kleines Kind, in ihre Fänge bringt.«
Wieder wollte Fela betteln, flehen, doch Herrero schnitt ihm mit einer herrischen Handbewegung das Wort ab. »Alles wird geschehen, wie wir es beschlossen haben. Wenn du nicht für uns bist, dann bist du gegen uns. Überleg es dir.«
Mit diesen Worten ließ er Fela stehen. Verzweifelt sah der junge Viehhirte ihm nach. Die Fäuste hielt er geballt, die Zähne knirschten, aber dann riss er sich aus seiner Starre und rannte los, rannte zum Herrenhaus.
Als er hinter Titines Schlafzimmerfenster noch Licht sah, atmete er auf. Er sammelte eine Handvoll kleiner Steine und warf sie gegen das Fenster. Es dauerte, bis er hinter den zugezogenen Gardinen einen Schatten ausmachen konnte, und es dauerte noch länger, bis Mafalda endlich das Fenster öffnete.
Als sie Fela erkannte, schien sie überhaupt nicht überrascht. Sie lauschte in die Nacht, dann winkte sie ihm, über die Nebentreppe nach oben zu kommen.
Fela kannte sich im Herrenhaus bei Nacht sehr gut aus. Er wusste, dass die vierte Stufe von unten knarrte, er kannte das lose Dielenbrett im Korridor und wusste sogar, dass man die Tür zu Titines Zimmer ein wenig anheben musste, um ohne Lärm hineinzugelangen.
Als er aber den Raum betrat und Titine, noch immer bleich wie eine Tote, auf dem Bett ruhen sah, stürzte er zu ihr, nahm ihre Hände und bedeckte sie mit Küssen. Mafalda stand auf der anderen Seite des Bettes und ließ Fela nicht aus den Augen.
»Was hast du mit ihr gemacht?«, fragte sie ihn eindringlich, aber mit unverhohlener Besorgnis.
Fela blickte sie an. »Ich habe sie verstoßen«, entgegnete er leise und voller Schuld.
Mafalda nickte. »Sie hatte einen Zusammenbruch«, erklärte sie. »Dr. Winkler musste ihr Laudanum geben, damit sie sich wenigstens ein bisschen beruhigt.«
In Mafaldas Augen glomm kein Hass, kein Ärger. »Du hast sie schützen wollen, nicht wahr?«
Fela nickte, hob leicht die Schultern. »Das will
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