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Sterne der Karibik: Roman (German Edition)

Sterne der Karibik: Roman (German Edition)

Titel: Sterne der Karibik: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrice Fabregas
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um dich, Titine, glücklich zu wissen. Es war gut, wie es war. Und jetzt das? Jetzt ein Kind von diesem Nichtsnutz? Hast du nichts gelernt in den letzten zwölf Jahren?«
    Titine blickte betroffen auf ihre im Schoß gefalteten Hände. Sie spürte sogar, dass seine Besorgnis echt war. Aber dabei war noch etwas anderes. Und dieses andere war es, das Titine so störte.
    »Es wird nicht leicht sein«, sagte Mafalda und warf Titine einen aufmunternden Blick zu. »Es wird nicht leicht sein, ein Mischlingskind aufzuziehen. Aber es wird schier unmöglich, einen Schwarzen zu heiraten und mit ihm so zu leben, wie es die Weißen und die Kreolen tun.«
    Titine erhob sich. Sie legte beide Hände über ihren Bauch. »Ich dachte, es hätte sich etwas geändert in diesem Land. Ich dachte, ihr hättet euch geändert. Aber jetzt sehe ich, dass alles beim Alten geblieben ist. Die Sklaven sind noch immer Sklaven und werden es auf ewig sein. Und die Weißen werden sie niemals akzeptieren als das, was sie sind: Menschen mit einer anderen Hautfarbe, aber denselben Wünschen, Hoffnungen und Träumen.«
    Sie brach ab, schluckte, sah Mafalda und Hermann mit so grenzenloser Enttäuschung an, dass es Mafalda beinahe das Herz zerriss.
    »Ihr müsst euch entscheiden«, erklärte sie dann mit einer neugewonnenen Stärke. »Entweder, ihr lasst Fela, das Kind und mich wie eine Familie leben, oder wir werden euch verlassen. Ich werde euch verlassen.«

Drittes Kapitel
    D ie zwei Wochen bis zur Ankunft von Joachim Groth und dem Amerikaner vergingen tatsächlich wie im Flug. Hermann beschäftigte sich zum ersten Mal in seinem Leben mit der Frage, wie man Rum brennt.
    Früher, als seine Eltern noch lebten und ihre eigene Apotheke hatten, da hatte er dem Vater oft geholfen, wenn es darum ging, Medikamente herzustellen. Pflanzen und Kräuter wurden in Alkohol eingelegt und schließlich daraus ein Trank destilliert. Den Alkohol hatte sein Vater selbst gebrannt, und nun versuchte Hermann, sich an diesen Vorgang zu erinnern. Obst. Er hatte Obst dafür verwandt. Birnen, Pflaumen, meist Äpfel. Die Mutter hatte die Äpfel geschält und entkernt und dann den Saft ausgepresst. Dann hatte sie dem gepressten Obst Hefe zugesetzt, so dass die Masse zu einer Maische vergärte. Anschließend wurde das Zeug in einem Kupferkessel gebrannt. Jetzt erinnerte sich Hermann wieder genauer, und die Erinnerung brachte seinen schmalen Mund zum Lächeln. Lakritze. Süßholz. Genau. Der Vater hatte bei der Firma Merck in Darmstadt Lakritze bestellt. Sie half bei Husten und bei Magenerkrankungen und hatte eine enorme Süßkraft. Manchmal hatte er die Lakritze im Alkohol aufgelöst und hatte dann ein Getränk, welches er Lakritz-Schnaps nannte. Selbst die Kinder tranken bei Husten gern davon. Aber Lakritze im Rum? Als Heilgetränk? Das konnte er sich nicht vorstellen.
    Doch hatte der Vater nicht auch mit Weizen gearbeitet? Hier gab es weder Weizen noch Äpfel. Ja, tatsächlich. Jetzt erst fiel es Hermann auf. Er hatte sich in all den Jahren an den unterschiedlichsten Früchten gelabt: Orangen, Mangos, Papayas, Bananen und Guaven, aber einen Apfel hatte er auf der Insel noch nicht gesehen. Ein leichter Anflug von Heimweh überkam Hermann. Er schnalzte mit der Zunge, doch der Geschmack von Äpfeln wollte ihm einfach nicht mehr einfallen.
    Rum. Der Amerikaner wollte keinen Schnaps, er wollte Rum. Natürlich wurde auf dem Ingenio Rum gebrannt. Jeder Zuckerbaron tat das und gab den Rum seinen Angestellten als Deputat. Hermann hatte einen alten Schwarzen dafür, der aus der Melasse den Rum brannte, aber er hatte sich nie für die Herstellung interessiert. Rum tranken nur die Armen. Kein Weißer in Trinidad würde sich jemals mit Rum betrinken. Dr. Winkler und er waren eine Ausnahme, aber auch sie tranken nicht den selbstgebrannten Rum, den auch die Schwarzen bekamen, sondern extra in Flaschen abgefüllten Rum aus der Brennerei der Bacardí in Santiago.
    Warum aber wollte der Amerikaner dieses Arme-Leute-Gesöff, welches das Blut in Feuer verwandelte? Nun, Hermann würde es erfahren, wenn der Amerikaner hier war.
    Zunächst aber musste er lernen, wie man Rum herstellte. Die Melasse, ein dickflüssiger, brauner Saft, musste mit Wasser verdünnt werden, um überhaupt gebrannt werden zu können. Doch mehr wusste Hermann im Grunde nicht.
    Also machte er sich auf den Weg ins Siedehaus und suchte Antonio, den Siedemeister. Antonio war ein alter, magerer Schwarzer, der nur noch zwei oder drei

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