Sterne der Karibik: Roman (German Edition)
Man kann die Fässer ausräuchern. Nach jedem Gebrauch sauber ausschaben und dann neu räuchern. Einmal haben wir Nadelgehölze benutzt. Der Rum hatte einen sehr erdigen Geschmack danach. Ein anderes Mal haben wir die Fasswände mit Honig bestrichen. Die Frauen haben uns geliebt dafür.«
Hermann legte den Zeigefinger an das Kinn und betrachtete Antonio, ohne ihn recht zu sehen. Schließlich sagte er: »Ab heute wirst du mein Brennmeister für Rum sein. Wenn du willst, natürlich nur. Ich verdoppele dein Gehalt, aber dafür möchte ich einen Rum, der, wie du sagst, wie ein Kuss durch den Mund läuft.«
Er hatte erwartet, dass Antonio voller Freude wäre, doch das war er nicht. »Don, ich weiß das Angebot sehr zu schätzen, aber verzeihen Sie mir, ich kann es nicht annehmen. Rum zu brennen ist eine schwierige Sache. Ich weiß nicht, ob ich das, was Sie verlangen, kann. Lassen Sie mir Zeit. Lassen Sie mich ein wenig probieren. Wenn Sie zufrieden sind, können Sie mir ja nach Gutdünken etwas mehr Geld zahlen.«
Hermann ritt gleich nach seinem Gespräch mit Antonio hinaus auf die Felder, auf denen die Schwarzen arbeiteten. Er drehte sich nicht noch einmal um, und so sah er auch nicht, dass Antonio sich lächelnd am Ohr kratzte und es sich sogleich wieder auf den Zuckersäcken gemütlich machte.
Noch immer war es so heiß, dass der Schweiß wie Wasser über Hermanns Rücken floss. Die Ernte des letzten Jahres war verheerend gewesen, doch das hatte ihn nicht groß gestört, da er seine Verträge mit Joachim Groth trotzdem erfüllen konnte. Jetzt aber stand das Rohr prächtig und wartete darauf, geerntet zu werden. Eigentlich waren es bis zum Erntebeginn im Advent noch vier Wochen, doch Hermann sah, dass ein Teil des Zuckers gut und gern schon geschlagen werden konnte. Also gab er die entsprechenden Anweisungen. Anschließend ritt er hinüber zu den Viehweiden. Sie lagen mittlerweile rund zwei Meilen vom Herrenhaus entfernt, weil sich der Viehbestand in den letzten Jahren enorm vergrößert hatte.
Er traf Fela dabei an, wie er den Pferden die Hufe auskratzte. Die Tiere standen gut im Futter, mit glänzendem Fell und klaren Augen.
»Fela!«, rief Hermann und bemerkte selbst, dass seine Stimme herrisch klang. Obwohl er sich seit Tagen überlegte, was er zu Fela über Titines Schwangerschaft sagen sollte, steckten ihm nun die Worte in der Kehle fest. Unfassbare Wut überkam ihn, als Fela straffen Schrittes auf ihn zukam. Er ist es, der meine Familie zerstört, dachte Hermann. Er ist es, der Titines Glück im Wege steht. Oh, wie viel einfacher wäre doch das Leben, gäbe es diesen Kerl nicht. Sein Gesicht wurde weiß, die Kiefer mahlten aufeinander, und das Blut schoss heiß durch seine Adern. Er konnte nicht anders, als Fela mit Hass anzuschauen.
Der aber tat, als würde er nichts davon bemerken. Sein Lächeln war freundlich und scheinbar unbefangen, doch in seinen Augen funkelte das Misstrauen.
»Don?«, fragte er. »Was kann ich tun?«
Hermann schluckte. Noch immer fiel es ihm schwer, einigermaßen normal mit Fela zu sprechen. Und wenn er daran dachte, dass seine Nichte oder sein Neffe alsbald den Namen dieses Schwarzen tragen sollte, dann wurde ihm richtiggehend schlecht. Immer wieder musste er sich dazu ermahnen, nicht handgreiflich zu werden.
»Ich brauche für morgen vier Paar Zugochsen. Gleich nach Sonnenaufgang müssen sie auf die Felder und das Zuckerrohr holen.«
»Beginnt die Ernte schon früher?«, wollte Fela wissen. »Es sind noch gut vier Wochen bis zum Advent.«
»Das muss dich nicht kümmern. Tu einfach, was ich dir sage. Zugochsen. Morgen bei Sonnenaufgang. Pünktlich!«
Das letzte Wort sprach er so aus, dass der Eindruck entstehen konnte, Fela wäre niemals pünktlich, doch das war nicht so. Fela spürte, dass dieses Wort ihn treffen, ihn beleidigen sollte. Und das tat es auch. Er sah Hermann nach, der in einer Staubwolke davonritt. Bald, dachte er, kannst du mich nicht mehr treffen. Bald werde ich der Ehemann deiner Schwester, der Vater deines Neffen sein. Dann musst du mich mit dem Respekt behandeln, der mir zusteht.
Auch er lächelte Hermann hinterher, denn er wusste etwas, von dem der Zuckerbaron keine Ahnung hatte.
Der erste Unabhängigkeitskrieg war tatsächlich vorüber und hatte mit dem Sieg Spaniens über die Insel geendet. Aber nun tobten schon wieder Kämpfe, und Fela wusste, dass Hermann sich nicht weiter darum scherte. Er hatte selbst gehört, wie der Don bei einem Abendessen
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