Sterne der Karibik: Roman (German Edition)
schützen. Schließlich brach Hermann das Schweigen. »Schon wieder?«, fragte er.
»Schon wieder? Ich warte seit zwölf Jahren darauf.«
Mafalda strich sich eine Haarsträhne aus der Stirn. »Auch mir scheint es, als wäre es erst gestern gewesen.«
Titine erhob sich. Die Enttäuschung stand ihr ins Gesicht geschrieben. Sie seufzte, dann erwiderte sie: »Nun, ich habe es euch gesagt.«
Sie wandte sich zum Gehen, doch Hermann erhob sich, fasste sie am Arm. »Jetzt sei doch nicht gleich beleidigt. Natürlich freuen wir uns mit dir auf das Baby. Es kam nur so überraschend, verstehst du?« Er lachte ein wenig, aber es klang blechern und dünn. »Wir müssen uns erst an den Gedanken gewöhnen.«
Titine ahnte, dass das nicht stimmte, aber jetzt erhob sich auch Mafalda, umarmte sie und flüsterte: »Herzlichen Glückwunsch. Bitte versteh doch: Wenn du schwanger bist, so werde ich stets an meine eigene Unfruchtbarkeit erinnert.«
Titine nickte und hatte das Gefühl, Mafalda über den Rücken streichen zu müssen. Aber eine kleine, piepsige Stimme in ihr rief: Das sagt sie doch jetzt nur, damit ich nicht länger über diese scheinheilige Freude nachdenke. Und noch eine andere Stimme in ihr rief, dass sie sich schämen sollte, so etwas über Mafalda zu denken.
Hermann zog sie sanft zurück auf ihren Stuhl, holte sogar ein Kissen und stopfte es ihr in den Rücken. »Wann kommt das Kind?«, fragte er.
»In ungefähr viereinhalb Monaten«, antwortete Titine.
Wieder wechselten Mafalda und Hermann einen Blick, den Titine nicht einordnen konnte. Sie war überrascht, als Mafalda plötzlich in die Hände klatschte und ausrief: »Da müssen wir vorher unbedingt nach Havanna fahren. Wir brauchen Sachen für das Baby, einen Stubenwagen oder eine Wiege, Windeln und all die anderen Dinge, die so ein Neugeborenes braucht.« Sie fasste nach Titines Hand, drückte sie. »Wir müssen das bald machen, nicht wahr? Damit die Reise nicht zu beschwerlich wird für dich.«
»Wirst du es taufen lassen, das Kind, meine ich?« Hermann schlug plötzlich diesen Ton an, auf den Titine schon die ganze Zeit gewartet hatte. Der Ton, der ihr sagte, dass er sich nicht wirklich freute, dass er sogar hoffte, das Kind würde verlorengehen.
Sie schluckte, warf den Kopf in den Nacken und schob die Unterlippe ein wenig trotzig hervor. »Ja, wir werden es taufen lassen. Fela und ich. Und zuvor wollen wir heiraten. Das Kind wird Felas Namen tragen.«
Ein Stöhnen drang aus Hermanns Mund, und es klang, als verzweifle er an einem Kind, das einfach nichts begreifen will.
»Das geht nicht, das weißt du genau.«
»Wieso geht das nicht? Fela ist ein freier Mann mit allen Rechten, die auch die Weißen und die Kreolen haben.«
»Er ist nicht katholisch.« Knapp und barsch klangen Hermanns Worte.
»Gut, dann wird er sich taufen lassen. Wir haben bereits darüber gesprochen.«
»Aber eine Heirat zwischen einem Schwarzen und einer Weißen ist nicht erlaubt.« Hermann ließ nicht locker. Seine sonst ewig bleichen Wangen waren von einem rosigen Zorneshauch überzogen.
»Nicht erlaubt? Wo steht das? Die Schwarzen haben beinahe dieselben Rechte. Wir werden einen Priester finden, der uns traut.« Titine blickte Hermann trotzig an, doch als der mit der Faust auf den Tisch schlug, zuckte sie zusammen. »Nein, verdammt noch mal!«, schrie er plötzlich. »Ich werde nicht zulassen, dass sich meine Schwester ins Unglück stürzt, indem sie einen Schwarzen heiratet. Die Leute werden dich eine Niggerhure schimpfen, sie werden dich anspucken, und eines Tages wird dein Kind mit eingeschlagenen Zähnen nach Hause kommen, weil es entweder von den Schwarzen oder von den Weißen verprügelt worden ist. Das lasse ich nicht zu!«
Mafalda erhob sich, stellte sich hinter Hermann, legte ihm die Hände auf die Schultern und massierte ihn leicht. Zu Titine gewandt, erklärte sie: »Auf der Insel hat sich einiges getan seit deiner ersten Schwangerschaft, aber das Denken der Leute hat sich nicht verändert. Alles, was damals gegen eine Schwangerschaft mit einem Mischlingskind sprach, gilt auch heute noch. Du weißt es selbst, Titine.«
Hermann seufzte tief auf, dann sprach er weiter: »Die ganzen Jahre habe ich zusehen müssen, wie dieser Schwarze Abend für Abend in das Verwalterhaus ging. Ich habe dulden müssen, dass er in meinem Haus lebt, meinen Rum trinkt, meine Zigarren raucht. Ja, ich habe sogar zulassen müssen, dass er mit meiner Schwester schläft. Ich habe das nur getan,
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