Sterne der Karibik: Roman (German Edition)
wandte sich dann an Hermann, der zwei Finger zwischen Hals und Kragen schob, seinen Kopf langsam nach links und rechts drehte und nach Atem rang, als drückte ihm jemand die Kehle ab.
»Was ist hier los?«, fragte Dr. Winkler und deutete zur Tür, hinter der Fela verschwunden war.
Hermann machte eine wegwerfende Handbewegung. »Nichts ist hier los. Titine hat ihn verlassen. Und jetzt gibt er mir die Schuld dafür. Tsss! Irgendwie lernen die Schwarzen einfach nicht, dass auch sie Schuld an allen Dingen tragen.« Er machte den Mädchen ein Zeichen, Dr. Winkler und ihn allein zu lassen, und die Mädchen zogen sich geduckt zurück.
»Titine hat Fela verlassen?« Dr. Winkler runzelte die Stirn, seine linke Augenbraue schnellte nach oben, während die rechte blieb, wo sie hingehörte. »Es fällt mir schwer, das zu glauben. Sie hat ihm den Laufpass gegeben? Jetzt? Da sie sein Kind unter dem Herzen trägt? So ist es doch, oder? Fela ist der Vater, nicht irgendein Weißer aus der Stadt.«
Hermann lächelte ein fadendünnes Lächeln. »So kann man es ausdrücken.«
Dr. Winkler erwiderte das Lächeln nicht. Sein Gesicht zeigte sogar eher einen besorgten Ausdruck, als er nachfragte: »Und wie war es wirklich?«
Hermann breitete die Arme aus, das Lächeln lag um seine Mundwinkel wie angeklebt. »Was sollte ich tun? Sollte ich etwa in Ruhe zusehen, wie meine Schwester einen ehemaligen Sklaven heiratet? Sollte ich still hier sitzen und zulassen, dass sie mit den anderen schwarzen Weibern in diesem verdreckten Hüttendorf lebt? Sollte ich das Kind vielleicht den Schwarzen überlassen? Am Ende wird es von ihrem Glauben und ihrer schwarzen Magie verhext. Kannst du mir versichern, dass sie Titine nicht schon verhext haben?«
Dr. Winkler lehnte sich zurück, schlug die Beine übereinander und schüttelte den Kopf. »Ich erkenne dich gar nicht wieder, Hermann. Seit wann glaubst du an diese Ammenmärchen? Don Alvaro hat sich vom Voodoo besiegen lassen. Aber du? Du lebst so lange hier, kennst die Schwarzen so gut wie ich. Du weißt, dass sie nicht über magische Kräfte verfügen.«
»Mag sein, dass ich das alles weiß. Aber die Dinge ändern sich. Ich kann einfach nicht zulassen, dass meine Schwester einen Schwarzen heiratet, dass sie Mischlingskinder zur Welt bringt und sich und uns zum Gespött des ganzen Landstriches macht.«
»Warum eigentlich nicht?«, fragte sein Freund nach. »Und wer sagt denn, dass dir aus einer solchen Verbindung Nachteile entstehen würden?«
Hermann wollte etwas erwidern, aber in diesem Augenblick betrat Dolores das Zimmer und servierte den beiden Männern starken, kräftig duftenden Kaffee.
Hermann verharrte in seiner Haltung, das Kinn trotzig nach vorn gereckt. »Warum? Warum? Was soll das denn heißen?«
»Ich frage mich, was genau so schlimm daran wäre, wenn Titine und Fela heiraten würden. Du selbst hast immer gesagt, dass die Schwarzen nicht anders sind als die Weißen. Sie müsste nicht im Hüttendorf wohnen, sie könnte bleiben, wo sie jetzt schon ist, wo auch Fela seit einiger Zeit verkehrt, wie ich vermute. Ihre Kinder könnten in Liebe und Zuneigung aufwachsen. Niemand würde es wagen, sie zu verspotten, wenn du dir die Achtung der anderen erhältst. Sie könnten die Schule besuchen, könnten eines Tages vielleicht sogar deine Pflanzung übernehmen, für dich sorgen, wenn du alt und schwach bist.«
Hermann machte eine abwertende Handbewegung. »Als ob es um Schwarz oder Weiß ginge. Fela. Er ist es. Viel zu stolz ist er. Kann sich nicht daran gewöhnen, wo sein Platz ist.« Wieder schoss die Wut wie Lava durch seinen Leib. Doch dieses Mal war die Wut mit Angst gepaart. Ja, Hermann hatte Angst vor Fela. Und genau das machte ihn noch wütender. Würde Fela in diesem Augenblick vor ihm stehen, er würde nicht zögern, würde die Pistole unter der Tischplatte hervorreißen und auf seinen Widersacher schießen, bis dieser tot vor ihm zusammenbrach.
Dr. Winkler lächelte schmal. »Also geht es doch um die gesellschaftliche Stellung.«
Hermann brummte nur und trank einen Schluck vom heißen Kaffee.
»Siehst du, und genau das verstehe ich nicht. Du bist reich, Titine wäre bis an ihr Lebensende versorgt, wenn du nur wolltest. Du hast Einfluss, dein Wort gilt in der Stadt. Wenn du wolltest, könntest du dazu beitragen, dass die Schwarzen ihre Stellung ein wenig verbessern. Aber du tust es nicht. Warum?«
Hermann runzelte die Stirn. Er musterte den Arzt, als wäre der plötzlich sein
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