Sterne einer Sommernacht
schon.”
Sie machte Anstalten, sich umzudrehen. Es war ihr bereits zur zweiten Natur geworden, das zu tun, was man ihr befahl. Doch plötzlich verspürte sie ein Widerstreben. In halber Bewegung hielt sie inne und wandte sich ihm wieder zu. Nein, diesmal würde sie das tun, was sie für richtig hielt. Es war einfach zu wichtig.
„Wenn du nicht böse bist auf mich, so bist du doch zumindest über irgendwas ungehalten. Und ich will nicht der Grund dafür sein.”
Es fiel ihr schwer, ja, es ängstigte sie, einen Schritt auf ihn zuzumachen, da der Zorn in seinen Augen noch immer nicht erloschen war. Sie wusste, dass er ihr nicht wehtun würde, natürlich wusste sie das. Aber konnte sie sich dessen wirklich ganz sicher sein? Nur weil es Devin war – Devin, den sie mochte und den sie als Freund nicht verlieren wollte –, war sie bereit, das Risiko einzugehen.
„Es ist bestimmt deswegen, weil ich dich geküsst habe”, platzte sie nun heraus. „Es hatte nichts zu bedeuten, weißt du. Ich habe mir gar nichts dabei gedacht.”
Sein Zorn verrauchte, und seine Augen wurden ausdruckslos, vollkommen ausdruckslos. „Ich weiß.”
„Du hast mich zurückgeküsst.” Ihr Herz klopfte jetzt so wild, dass sie kaum hörte, was sie sagte. „Du hast gesagt, dass du auf dich selbst böse bist, weil du das getan hast, aber ich will das nicht. Es hat mir nichts ausgemacht.”
„Es hat dir nichts ausgemacht”, wiederholte er langsam, und es war, als würde er den Worten nachlauschen. „Okay. Lass es uns ganz einfach vergessen. Und jetzt geh zurück.”
„Warum hast du mich auf diese Weise geküsst?” Ihr Mut verließ sie, und der Satz versiegte in einem kaum mehr verständlichen Flüstern.
„Wie ich dir schon gesagt habe, ich war an dem Tag einfach völlig daneben.” Wenn sie nicht sofort aufhörte, ihn mit diesen großen, sanften Augen anzustarren, würde er sich am Ende doch noch vergessen.
„Verdammt noch mal, was willst du eigentlich von mir? Ich habe mich entschuldigt, oder etwa nicht? Und ich habe gesagt, dass es nicht wieder vorkommen wird. Ich versuche mich von dir so gut wie möglich fernzuhalten, und es bringt mich langsam, aber sicher um. Ich habe zwölf Jahre lang darauf gewartet, dich endlich einmal küssen zu dürfen, und als es dann so weit war, hätte ich dich am liebsten bei lebendigem Leibe verschlungen. Ich wollte dich nicht ängstigen und dir auch nicht wehtun.”
Sie hatte kaum verstanden, was er gesagt hatte, sie merkte nur, dass ihre Knie nachzugeben drohten, jedoch nicht aus Angst. Angst kannte sie gut genug, um sie erkennen zu können. Doch was es dann war, das sie plötzlich eisern im Griff hielt, blieb ihr verborgen.
„Du hast mir nicht wehgetan.” Sie musste schlucken. „Es hat mir nichts ausgemacht. Und es macht mir noch immer nichts aus.”
„Ich will dich aber wieder küssen.”
„Es macht mir nichts aus”, wiederholte sie, weil es die einzigen Worte waren, die ihr noch einfielen. Ihr Kopf war leer.
Sie bewegte sich nicht, als er auf sie zukam. Sollte sie ihn berühren?
Wie sollte sie sich verhalten? Sie hätte gern seine Arme berührt, doch sie wagte es nicht. Sie waren so muskulös, bestimmt wohnten ihnen Bärenkräfte inne.
Einen Moment später jedoch brauchte sie keine Angst mehr zu haben und auch nicht mehr zu denken oder versuchen zu raten. Er umrahmte zart ihr Gesicht mit den Händen und legte seine Lippen auf ihre, sanft, so sanft und zärtlich, wie sie es sich nie hätte träumen lassen.
Ihr Herz begann zu flattern wie ein kleiner Vogel, der seine Käfigtür unerwarteterweise offen findet. Als er sie nun zärtlich enger an sich zog, nur ein klein wenig enger, wäre sie plötzlich am liebsten mit ihm verschmolzen. Ihre Lippen öffneten sich zu einem Seufzer still er Verwunderung.
Das war es, was er schon immer hatte tun wollen, wonach er sich seit zwölf Jahren sehnte. Ihr zu zeigen, dass ein Mann auch liebevoll und zärtlich sein konnte. Dass nicht jeder Mann war wie Joe Dolin.
Ja, das ist es, dachte er verschwommen, während er seinen Kuss ganz langsam vertiefte, bis sie erneut leise aufseufzte.
Nun, da sie in seinen Armen lag, erschienen ihm plötzlich all die Jahre, die er auf sie gewartet hatte, nur noch wie Minuten.
Der Trubel und das fröhliche Geschrei auf der Wiese hinter ihr waren nicht mehr als Fliegengesumm in ihren Ohren. Sie ließ nicht los, und der Kuss dauerte an, trug sie leicht wie auf Engelsschwingen weit fort in eine Welt, in der keine Zeit
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