Sterne im Sand
beiläufig abgetan.
Nun betrachtete sie eingehend ihr rötlich-graumeliertes Haar. Wie könnte sie es tragen, um den strengen Knoten zu vermeiden? Es mußte doch eine Frisur geben, die ihr Gesicht attraktiver und weicher erscheinen ließe. Louisa hätte da bestimmt eine Idee, doch sie konnte es nicht über sich bringen, sie danach zu fragen. Dafür war Charlotte einfach zu schüchtern, und stolz zugleich. Sie hatte interessiert beobachtet, wie ihre Schwiegertochter sich aus einem unscheinbaren Mädchen mit unattraktiver Frisur in eine elegante junge Dame verwandelt hatte. Louisa war auf diesem Gebiet sehr begabt; sehr viel mehr hatte sie auf Springfield ja auch nicht zu tun.
Seufzend drehte Charlotte dem Spiegel den Rücken zu, band eine saubere Schürze über ihr eher praktisches als modisches braunes Kleid und ging nach unten in die Küche. Sie servierte Austin seinen Morgentee stets selbst.
Kurz darauf, als gerade die ersten Sonnenstrahlen über die Hügel krochen, wurde das ganze Haus von ihren markerschütternden Schreien geweckt.
Türen wurden aufgerissen, Stimmen riefen durcheinander. Teddy wachte verstört und weinend wie aus einem Alptraum auf. Draußen blieben Männer abrupt stehen, schauten sich entsetzt um. Manche rannte auf das Haus zu.
Victor fand sie auf Austins Ruhebett, wo sie sich verzweifelt hin- und herwiegte.
»Er ist tot«, schluchzte sie, »er ist tot.«
Er mußte sie sanft herunterziehen. »Warte, Mutter, laß mich nachsehen. Einen Moment, bitte.«
Doch Austin Broderick war tatsächlich tot. Er war friedlich entschlafen.
Hinter Victor drängten sich andere ins Zimmer. Er selbst war wie betäubt. Louisa nahm ihn in die Arme. »Liebling, es tut mir so leid. Unendlich leid.«
Er sah sie hilflos an, als wäre dieses unbegreifliche Ereignis zuviel für ihn. Seine Stimme war nur ein nervöses Flüstern.
»Er ist tot. Was machen wir jetzt?«
Louisa wußte darauf nichts zu erwidern. Sie verstand seine Verwirrung, seine augenblickliche Angst davor, nun auf eigenen Füßen stehen zu müssen. Sie fragte sich, als was für ein Mensch sich ihr Mann wohl entpuppen würde, wenn er endlich den Schatten des übermächtigen Vaters abgestreift hätte. Sie schaute zu Rupe hinüber, der bemüht war, seine Mutter zu trösten, und vermeinte eine gewisse Zufriedenheit in seinen kühlen blauen Augen zu lesen, doch das konnte auch eine Täuschung sein. Er war sicher ebenso erschüttert wie alle anderen.
Auch Cleo sprach ihr Beileid aus, konnte aber keine tiefe Trauer empfinden, da sie dem großen Mann nur ein paarmal begegnet war, wenn sie Teddy zu ihm führte oder Austin sich einmal dazu herabließ, aus den Tiefen seines Privatflügels emporzusteigen. Interessant fand sie allerdings, die Reaktionen der anderen zu beobachten. Sie waren allesamt starke Persönlichkeiten, auch die Frauen, obwohl sie sich dessen in Gegenwart ihres übermächtigen Patriarchen gar nicht bewußt zu sein schienen. Cleo fand die Brodericks faszinierend.
Als Zeichen des Respekts sagte sie für diesen Tag den Unterricht ab und half in der Küche aus. Es wurden zahlreiche Trauergäste erwartet, die alle verköstigt werden wollten. Zudem konnte sie bei dieser Gelegenheit dem neuesten Klatsch lauschen.
»Harry kommt bald nach Hause. Er und seine alberne Frau. Der arme Kerl ist sicher am Boden zerstört. Hatte keine Gelegenheit mehr, sich mit dem alten Mann auszusöhnen. Hatte es immer gehofft. Mr. Broderick konnte sehr jähzornig sein, aber nach einer Weile beruhigte er sich wieder.«
»Ich dachte, er hat Harry enterbt«, sagte Cleo, wohlweislich ohne zu erwähnen, daß in Brisbane noch schlüpfrigere Gerüchte über die Brodericks kursierten. Angeblich hatte Harry in einem Anfall von Eifersucht gedroht, seine Frau und ihren Liebhaber zu erschießen. Die ganze Nachbarschaft samt ihrer Tante hatte darüber getratscht; manche Leute behaupteten sogar, sie hätten mit eigenen Augen gesehen, wie er die Missetäter aus dem Haus warf. Und doch waren die beiden nach wie vor zusammen. Die Köchin jedenfalls hatte angekündigt, er werde seine Frau mitbringen.
»Sicher, er hat Harry aus dem Testament gestrichen, aber doch nur auf dem Papier. Mit der Zeit hätte der arme Mr. Broderick die Sache wieder in Ordnung gebracht. Sehen Sie, er mußte ein Machtwort sprechen. Aber er hat immer nur gebellt, nie gebissen. Dreht sich bestimmt im Grab um, weil er diesmal zu weit gegangen ist. Aber sie sind alle drei seine Söhne, und Victor und Rupe
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