Sterne im Sand
Papier.
Müssen leider mitteilen, daß Teddy Unfall hatte. Mit freundlichen Grüßen, Hannah.
Sie sah auf das Blatt herunter. »Mehr kann ich nicht tun. Wir wissen ja nicht, was genau mit ihm geschehen ist.«
»Er ist gewiß ertrunken.«
»Mag sein, aber ich schicke kein Telegramm, wo das drinsteht. Es ist zu grausam. Die arme Frau wird es noch früh genug erfahren.«
Nur Minuten später brach ein Mann mit dem Zettel nach Cobbside auf.
Charlotte erhielt das Telegramm am nächsten Morgen um neun Uhr im Hotel, kurz nachdem das Büro geöffnet hatte. Da Telegramme als Unglücksboten bekannt waren, spitzten ihre neuen Bekannten die Ohren, als sich die Nachricht im Hotel verbreitete. Die Damen standen besorgt vor ihrer Tür, klopften schließlich leise an und fragten, ob sie etwas für sie tun könnten.
Charlotte saß wie betäubt da, dieses eine Mal dankbar für ihre Anteilnahme.
»Ich muß nach Hause«, rief sie aus. »Meinem Enkel ist etwas zugestoßen. Ein Unfall – was soll das heißen? Es muß schlimmer sein. Sonst würde sie doch nicht schreiben ›müssen leider mitteilen‹. Ich muß sofort nach Hause.«
Sie war völlig aufgelöst und versuchte schluchzend zu packen. Doch selbst in dieser Lage bewahrte Charlotte Broderick Haltung. Sie war es gewohnt, Befehle zu erteilen, und nun kam ihr diese Fähigkeit zupaß. Eine Dame wurde angewiesen, ihre Koffer zu packen, eine andere ausgeschickt, Fern Broderick zu informieren. Eine dritte buchte für sie eine Zugfahrt erster Klasse im nächsten Zug nach Toowoomba.
Um zwölf Uhr mittags überreichten die Damen ihr einen Picknickkorb für die lange Reise, den sie mit Dank entgegennahm. Auch Fern war da, um sich von ihr zu verabschieden. »Laß mich wissen, was passiert ist. Vielleicht ist es ja gar nicht so schlimm. Dienstboten geraten leicht in Panik. Ich schicke ein Telegramm, damit sie wissen, daß du kommst.«
»Das ist nicht nötig«, erwiderte Charlotte steif. Sie hatte große Angst und fragte sich, weshalb man es Hannah überlassen hatte, sie zu benachrichtigen. Sie kannte die Köchin. Diese Frau geriet nicht so schnell aus der Fassung. Worum es bei diesem Unfall auch immer ging, es mußte schlimm sein.
»Aber dann können sie jemanden nach Toowoomba schicken, um dich abzuholen«, versuchte Fern zu erklären.
»Ich sagte nein. Ich werde in einem Hotel übernachten und eine Kutsche mieten, die mich nach Springfield bringt. Keine Sorge, Fern, ich kenne den Weg nach Hause.«
An diesem Abend erhielt Mrs. Charlotte Broderick, die im Bezirk wohlbekannt war, das beste Zimmer im Hotel Victoria von Toowoomba. Der Wirt, der sich durch ihre Anwesenheit geehrt fühlte, schickte ihr eine erstklassige Mahlzeit aufs Zimmer, die sie jedoch kaum anrührte.
Das gleiche galt für eine junge Frau, die ebenfalls im Hotel wohnte. Cleo Murray war zu erschüttert, um Hunger zu empfinden.
Am nächsten Morgen schleppte sie ihren Koffer zum Bahnhof, wo sie wie ein Häufchen Elend auf den Zug nach Brisbane wartete.
Was war mit Teddy geschehen? Sie kannte noch immer nicht die ganze Wahrheit.
Und was war mit Rupe? Warum war er nicht zu ihr gekommen? Er hätte wenigstens nach ihr sehen können. Wollte er sie etwa nicht mehr heiraten?
Sie wußte es nicht.
Im Zug weinte sie um Teddy und betete für ihn.
Dies tat auch Charlotte. Sie dachte ununterbrochen an ihn, während sie schäumend vor Wut in der Eingangshalle des Hotels saß. Die Kutsche stand wegen einer gebrochenen Achse nicht zur Verfügung. Noch schlimmer war, daß der Hotelbesitzer keinen anderen Fahrer ausfindig machen konnte, da in der Stadt gerade Jahrmarkt war. Natürlich hätte sie Freunde bitten können, sie nach Springfield zu fahren, doch in dieser Situation schien es ihr unpassend, Gäste mitzubringen. Da sie keine Lust hatte, unter Menschen zu gehen, blieb sie im Hotel und weigerte sich hartnäckig, Victor zu benachrichtigen. Statt dessen telegrafierte sie Ada Crossley in Lochearn, schilderte ihr die Situation und bat um Neuigkeiten über Teddys Unfall.
Nur wenige Stunden später erhielt sie Adas knappe Antwort: »Bleib, wo du bist. Ich komme selbst.« Kein Wort von Teddy.
Charlotte, die jetzt noch besorgter war als zuvor, blieb nichts anderes übrig, als zu warten. Sie wollte sich einreden, daß Ada es erwähnt hätte, wenn der Junge ernsthaft verletzt gewesen wäre. Aber warum hatte sie dann ihre Frage nach ihm unbeantwortet gelassen? Charlotte machte sich Vorwürfe, ihr Telegramm zu ungenau
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