Sterne im Sand
formuliert zu haben. Es war so schwierig, die richtigen Worte zu finden. Da sie erst am nächsten Tag mit Ada rechnen konnte, verbrachte sie quälende Stunden in ihrem Zimmer, wo sie auf- und ablief und den fröhlich feiernden Jahrmarktsbesuchern draußen lauschte.
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12. Kapitel
Bei der Rückkehr ins Land am Fluß empfand er Freude und Nostalgie, doch es war keine Heimkehr mehr. Hier waren sein Vater und alle Väter vor ihm zum Mann herangewachsen, hatten die Gesetze geachtet, die der Erde und ihren Geschöpfen zum Schutz dienten. Die Pflichterfüllung bestand in der Bewahrung der Stämme und des Landes und führte gute Männer zu einem spirituellen Bewußtsein, einem tieferen Verstehen der Geheimnisse der Natur. Mit wehmütigem Lächeln erinnerte sich Moobuluk an die aufrichtige Zufriedenheit, die das Leben eines Mannes in dieser Phase erfüllte. Für ihn waren diese Erinnerungen wertvoll, ebenso wertvoll wie seine Schritte, die gezählt waren, und die wenigen Tage, die ihm noch blieben.
Wo immer er auch im vergangenen Jahr hingekommen war, er hatte es wie eine Heimkehr empfunden, da er die Erde so sehr liebte und förmlich nach dem Kontakt zwischen seinen abgehärteten, tastenden Füßen und dem Boden gierte. Vom Land am See bis hin zum wogenden blauen Meer und nach Süden über die Hügel bis zu den Grasebenen, wo er einst ungeheure Entfernungen an einem Tag zurückgelegt hatte, wenn er anderen Clans Botschaften überbrachte, hatte er die Schönheit der Umgebung immer intensiver empfunden.
»Ich war schnell«, verkündete Moobuluk seinem treuen Hund, während er vom Plateau aus auf Springfield hinunterblickte. »Ich konnte rennen wie der Wind. Du vermutlich auch, bevor dich die Falle der Weißen verstümmelt hat.«
Auch der Einfluß der Weißen trug dazu bei, daß sich seine letzte Reise qualvoll gestaltete. Er empfand Trauer bei seinem Abschied von Familie und Freunden – nicht um seiner selbst willen, sondern wegen ihrer erbarmungswürdigen, verwirrten Gesichter. Er hatte erschütternde Geschichten über Umsiedlungen unmittelbar aus dem Mund der Betroffenen gehört. Er wußte, daß die Schwarzen im Norden Frontlinien gezogen hatten und sich weigerten, weiter vor den Invasoren zurückzuweichen. Moobuluk mußte sie wohl oder übel ihrem Schicksal überlassen. Er konnte ihnen nicht einmal Trost oder ein Körnchen seiner vielgerühmten Weisheit bieten und schämte sich dafür. Er litt sehr unter dem Gefühl, sie im Stich zu lassen. Irgendwo im großartigen Sagenbuch der Natur, das er so gut kannte und respektierte, hätte eine Warnung stecken müssen.
»Vielleicht gab es sie«, gestand er sich demütig ein. »Und ich war zu stolz, um sie zu erkennen.«
Er fragte sich, was die lange verstorbenen Ältesten wohl von dem neuen Zeitalter hielten, das über ihr Land kam. Dem Zeitalter der Trostlosigkeit. Es ging nicht nur um die Zerstreuung der Menschen, nein, Moobuluk dachte voll Trauer an kostbare Vogel- und Tierarten, die aussterben würden, weil sie dem Fortschritt nicht gewachsen waren. Noch nie zuvor in ihrer Geschichte hatten die Stämme eine derartige Umwälzung erlebt.
An diesem Abend saß er unter den Sternen und weigerte sich, die Zeit mit Schlaf zu vergeuden. Er sprach mit den Geistern seines Clans, diskutierte mit ihnen dieses erbärmliche Ende seiner langen Laufbahn in ihren Diensten. Erklärte, daß er nur zu seinem letzten Auftrag hergekommen sei, da er hoffe, das Mädchen Nioka aufzuspüren. Er sprach von ihr als einer guten, starken Frau, bat für sie um Schutz vor den Dämonen der Trübsal, die ihrer Schwester das Leben auf sinnlose, willkürliche Weise geraubt hatten.
Am Morgen erhellten goldene Sonnenstrahlen den grauen Himmel. Moobuluk weinte vor Freude. Was wußte er denn schon von den Tragödien, die Menschen in unermeßlichen Äonen erlitten hatten? Wie konnte er so vermessen sein zu glauben, er könne das Schicksal beeinflussen? Die Geister hatten ihn wegen seines Stolzes gescholten und weil er den Teufeln verlorener Hoffnung keinen Widerstand entgegengesetzt hatte. Auch sie betrauerten das Elend ihrer Rasse, doch Moobuluk hatte von ihnen mehr über die Welt und das endlose Universum gelernt, als er je für möglich gehalten hätte. Wissen, das er nicht mit sich nehmen konnte, doch das war auch nicht nötig. Er zog sich aus der Welt zurück, würde aber nicht in die Gesellschaft der Teufel eingehen, sondern in die Herzen der Männer und Frauen, die ihn verstanden – Wissenden,
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