Sterne im Sand
schenkte ihm Wärme, lauschte auf seinen Herzschlag, tätschelte den zerbrechlichen Rücken, streichelte ihn und sang ihm etwas vor.
Nioka hielt ihn die ganze Nacht so, während ihr eigener unbedeckter Rücken kalt wurde. Sein Atem klang rauh und war unregelmäßig, daher blies sie regelmäßig Luft in seine Lungen. Sie wußte nicht, was sie sonst noch tun sollte, um ihn am Leben zu erhalten.
In der tintenschwarzen Nacht tröstete sie ihn mit ihrer Stimme, wobei ihr eigener Körper vor Kälte schmerzte und steif wurde; doch sie wagte nicht, ihn zu stören, indem sie ihre Position veränderte. Sie sehnte sich nach dem Morgen, wenn die kostbaren Sonnenstrahlen endlich auch ihr Wärme spenden würden.
Schließlich weckten ihn die Kookaburras, die der Welt lauthals das Herannahen der Morgendämmerung verkündeten, und sie preßte sein kaltes Gesicht an ihren Körper.
»Mir ist schlecht«, sagte er und wollte sich wieder übergeben, brachte aber nur ein trockenes Würgen zustande. Nioka lachte und weinte vor Erleichterung, bedeckte ihn mit Küssen, rief ihn beim Namen, sagte, er sei ein guter Junge.
Teddy war erschöpft und brauchte dringend Schlaf. Nioka trug ihn tiefer in den Busch und legte ihn, noch immer in die Pferdedecken eingehüllt, in ihre Rindenhütte. Dann wartete sie. Sobald er sich bewegte, flößte sie ihm tropfenweise Honigwasser ein und freute sich, als seine Zunge über die aufgesprungenen Lippen fuhr und den Honig ableckte.
Irgendwann stellte sich der Lohn ihrer Bemühungen ein. Der Junge sah sie schläfrig an, erkannte sie und fuhr hoch. »Wo ist Jagga?«
Nioka war überglücklich. Er hatte sie erkannt und sich darüber hinaus an ihren Jungen erinnert. Sie verdrängte ihre Trauer und erklärte, er sei in der Schule. Sie war erstaunt, wie leicht ihr diese Lüge über die Lippen ging; der Junge durfte sich in seinem Zustand um keinen Preis aufregen.
Als er später wieder erwachte, sagte er mit einer Mischung aus ängstlicher Überraschung und Stolz: »Ich bin in den Fluß gefallen.«
»Ja. Hast zu nah gespielt, aber jetzt alles gut.«
»Was ist das in dem Beutel? Es bewegt sich. Ist da eine Schlange drin?«
»Nein, kleines Känguruh.« Das Tierchen spähte aus der Öffnung des Beutels.
Teddy war fasziniert. »Oh, darf ich es auf den Arm nehmen?«
»Ja, ist stark jetzt, aber noch Baby. Wie du«, grinste sie.
»Ich bin kein Baby!«
Doch für sie war er genau das, ein Baby wie ihr Jagga. Wie schön wäre es gewesen, jetzt mit ihrem Sohn hier zu sitzen. Ihr Herz war übervoll mit Freude und Schmerz, und sie genoß das Zusammensein mit Teddy, die Ernsthaftigkeit, mit der Kinder seines Alters sich zu unterhalten pflegten. Alles das hatte man ihr genommen, als man ihr Jagga nahm.
»Hast du mich aus dem Fluß gezogen, Nioka?«
»Ja.«
»Dachte ich mir. Da hab’ ich aber Glück gehabt. Hast du was zu essen? Ich bin hungrig.«
Nioka hätte ihm gern ein paar Hummer oder Aale aus dem Fluß geholt, die gekocht sehr gut schmeckten, doch sie wagte nicht, ihn allein zu lassen. Also schob sie ihm einen Korb mit grünen Grassamen, wilden Beeren und geschälten Nüssen hin. Zufrieden bediente er sich und kaute eifrig, während er mit dem Känguruh schmuste.
»Wenn besser geht, wir suchen Jamswurzeln und vielleicht ein paar Maden.«
»Mir geht es schon besser. Mir war nur schlecht.«
Da er darauf bestand, zogen sie los und wanderten geruhsam durch den Busch, bis sie einen entlegenen Wasserlauf erreichten. Nioka wußte, daß er genügend Süßwasser führte und sie dort anständige Nahrung finden würden.
Teddy plapperte ununterbrochen, genoß ihre Gesellschaft und die abenteuerliche Suche nach Aborigine-Essen. Er erkundigte sich nach dem Rest der Horde und wollte wissen, wann sie zurückkämen. Nioka antwortete wahrheitsgemäß und wich nur der Frage nach dem Warum aus. Sie erzählte ihm von dem herrlichen See, an dem ihre Leute nun zusammen mit anderen Familien lebten, die Kanus bauten, mit denen man schnell wie der Wind übers Wasser fahren konnte.
»Gehst du mit mir dorthin?«
»Nein, zu weit weg.«
»Wir könnten reiten, dann wären wir schneller.«
Sie lachte. »Haben keine Pferde.«
Auch Nioka hatte Fragen. Kinder waren aufrichtig. Sie mochten zwar Dinge durcheinanderwerfen, trafen aber oftmals den Nagel auf den Kopf. Sie zündete das Feuer an, während Teddy ihr erzählte, daß er jetzt Unterricht bekam. Das Mädchen, das sie in Rupes Begleitung gesehen hatte, war seine Lehrerin.
»Warum
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