Sterne im Sand
hineinspringen und mit ihm untergehen, wie ihre Schwester es getan hatte. Dann war alle Hoffnung dahin.
»Warum weinst du?« fragte er sie teilnahmsvoll. »Ich habe dir doch gesagt, wir laufen zu schnell. Du bist ganz außer Atem.«
Nioka umarmte ihn stumm, doch wann immer der Fluß in ihr Blickfeld kam, schlug sie eine andere Richtung ein, stolperte durch den Busch, suchte nach alten Pfaden. Teddy sah den Fluß auch und erklärte, sie liefen in die falsche Richtung. Er bat sie, ihm einen Wanderstock zu machen, damit er Schlangen abwehren konnte; wollte Löcher im Boden untersuchen, als sei dies nur ein Spaziergang; hörte ferne Vogelgeräusche und wollte die Tiere aus der Nähe betrachten; kurzum, er hielt sie ständig auf.
Er wußte nicht, daß sie bereits am Vogelparadies vorbeigekommen waren; sie hatte ihm weisgemacht, es befinde sich weiter flußaufwärts. Als er irgendwann todmüde war und sich kaum noch auf den Beinen halten konnte, nahm sie ihn huckepack.
»Rupe hat das auch mal mit mir gemacht. Er sucht jetzt bestimmt nach mir. Und Cleo auch. Ich sollte besser wieder zum Unterricht gehen.«
Als sie endlich zum Ufer hinuntertaumelte, schluchzte Nioka erleichtert. Sie hatte die felsige Furt gefunden, an der der Fluß eine Reihe kleiner Wasserfälle bildete und ruhiger floß. Dennoch war die Strömung stark, man konnte erst nach Beginn der Trockenzeit mühelos hindurchwaten.
Sie setzte ihn ab und nahm ihn an die Hand, ganz aufgeregt, weil sie den Dämonen entkommen und der Junge beinahe zu Hause war, doch Teddy hielt sie schreiend zurück.
»Nein, ich werde ertrinken! Ich geh’ da nicht rein!«
Nioka hielt ihn fest und warf ihn sich trotz seiner Gegenwehr quer über die Schultern. Sie sprach beruhigend auf ihn ein, als sie tiefer und tiefer in den Fluß hineinwatete und mit den Hüften schmerzhaft gegen Felsbrocken stieß. Als ihr das Wasser bis zur Brust reichte, klammerte er sich an sie, schluchzte, erteilte Ratschläge, lotste sie. Stieß wiederholt gegen Felsen, beklagte sich, wollte sich aus ihrem Griff befreien. Nioka hätte ihn am liebsten geohrfeigt, damit er endlich aufhörte. Mit zusammengebissenen Zähnen ertrug sie die schmerzhaften Stöße, während das Ufer immer näher rückte und sie die Dämonen hinter sich ließ.
»Jetzt können sie ihn nicht mehr kriegen«, dachte sie, als das Wasser wieder auf Hüfthöhe gesunken war. Vor ihr im seichten Wasser wartete Moobuluks Hund und hechelte aufgeregt. Er war gekommen! Sie sah ihn am Ufer stehen. Er würde sie und Teddy vor allem beschützen. Er war mächtiger als alle Dämonen dieser Welt. Schluchzend streckte Nioka den Arm nach ihm aus.
Harry sah sie den Fluß durchqueren. Eine schwarze Frau mit einem Kind, das sie wie einen Kartoffelsack über die Schultern geworfen hatte, kämpfte sich mit Riesenschritten durch die Strömung. Er war stehengeblieben, um Atem zu holen, hatte beinahe schon aufgeben wollen, da er sich wie ein Idiot vorkam, der auf die Zaubereien eines Schwarzen hereingefallen war und nun hinter einem Dingo herjagte. Er rannte los, brach durchs Gebüsch, bis er den Weg fand, der zur Furt führte. Die Tränen strömten ihm übers Gesicht. Er schlitterte das Ufer hinab und sprang ins Wasser. Die so sanft erscheinende Strömung warf ihn fast um, doch da er sich nur bis zu den Hüften darin befand, konnte er das Kind aus Niokas Armen entgegennehmen.
An diesen Augenblick würde sich Harry für den Rest seines Lebens erinnern. Er zog Nioka an sich, umarmte sie und den Jungen, wollte sie nie wieder loslassen, glaubte zu träumen, weinte Freudentränen, bis Teddy, dem das Theater zuviel wurde, zu protestieren anfing.
»Jetzt wär’ ich fast schon wieder hineingefallen. Ich hasse diesen Fluß!«
Nioka sah Harry dankbar an, als habe er sie gerettet und nicht sie Teddy.
Er umarmte sie noch einmal. »Nioka, wie sollen wir dir nur danken? Ich bringe euch beide zum Haus.« Er nahm Teddy auf den Arm. »Schaffst du das Stück noch? Du siehst erschöpft aus.«
Sie nickte und sah den Hund im Busch verschwinden. Sie war enttäuscht, daß Moobuluk nicht mehr da war, und wußte plötzlich, daß sie ihn nie wiedersehen würde.
Jack Ballard sah sie von weitem über die Koppel kommen. Harry mit einer schwarzen Frau! Er schob den Hut zurück und kniff die Augen zusammen, da er ihnen nicht ganz traute. Neugierig lenkte er sein Pferd in ihre Richtung, stieß einen Schrei aus und galoppierte auf sie zu. Es waren tatsächlich Nioka und Harry,
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