Sterne im Sand
wollen. Kannst du dir vorstellen, daß jemand einem Kind ausgerechnet Aal vorsetzt?«
»Aal habe ich auch schon gegessen«, warf Victor ein. »Austin hat ihn uns förmlich aufgedrängt, als wir klein waren. Aal und Kutteln. Gott, wie ich die gehaßt habe.«
Sie waren bester Stimmung und fanden alles wunderbar.
»Gott sei Dank ist Nioka eine hervorragende Schwimmerin«, sagte Victor. »Als wir Kinder waren, hat sie immer damit angegeben. Ist quer durch den Fluß und wieder zurück geschwommen und wußte genau, daß wir uns das niemals trauen würden.«
»Ein Glück, daß sie da war«, sagte Louisa. »Welch ein Zufall, daß sie Teddy ins Wasser fallen sah.«
»Nein, ganz so war es nicht«, warf Harry ein. »Sie hat ihn vom anderen Ufer aus beobachtet. Ihr werdet euch vielleicht erinnern, daß sie Jagga an eure verdammten Glaubensfanatiker verloren hat. Da war nun also diese kinderlose Frau, die voller Liebe ein anderes Kind beobachtete. Als es in den Fluß fiel, reagierte sie instinktiv wie eine Mutter und sprang ihm sofort hinterher. Zum Glück ist sie stark wie ein Ochse und schwimmt wie ein Fisch.«
»Während Rupe und Cleo ihn einfach vergessen hatten«, grollte Victor.
»Keiner von ihnen hätte Teddy in diesem Augenblick retten können«, erklärte sein Bruder. »Die Strömung hatte ihn fortgerissen. Er ist in Sicherheit, er ist nicht ertrunken, belassen wir es dabei.«
»Soll ich etwa vergessen, daß Rupe meinen Sohn in diesen verdammten Fluß stürzen ließ?« fauchte Victor.
»Ich denke, er hat genug gelitten. Er muß sich schrecklich fühlen. Die Gouvernante übrigens auch.«
»Dann denk bitte auch mal daran, was wir durch sie gelitten haben«, sagte Louisa empört. »Ich werde ihnen das nie verzeihen.«
»Jesus, was ist nur aus dieser Familie geworden?« fragte Harry. »Ihr wollt Rupe nicht verzeihen. Victor und Charlotte haben sich förmlich gegeneinander verrannt. Du behauptest, sie wolle das Herz von Springfield verkaufen, besitzt aber gleichzeitig nicht die Fairneß, ihr den Anteil anzubieten, der ihr zusteht. Austin würde sich im Grab umdrehen.«
»Nein, keineswegs«, sagte Louisa. »Er selbst hat doch die Weichen für all das gestellt. Aber ich weigere mich, heute darüber nachzudenken. Victor, bitte noch etwas Champagner für mich. Durch Gottes und Niokas Hilfe ist unser Junge sicher heimgekehrt, das will gefeiert werden.«
Spinner war zu betrübt, um sich darüber zu freuen, daß er nun auf die Nachbarfarm ziehen und sein Mädchen heiraten konnte. Der Verlust des alten Mannes traf ihn tiefer als erwartet, ihm war, als sei ein Berg urplötzlich aus der Landschaft verschwunden, eine verwirrende Erfahrung für einen Mann, der sich im Grunde mehr als Weißer denn als Schwarzer fühlte. Und noch etwas verwirrte ihn: Er wußte nicht, wie es nun um sein Versprechen stand. Vielleicht war er ja noch gar nicht von seiner Pflicht entbunden; vielleicht erwartete man von ihm, daß er weiter nach den Jungen Ausschau hielt.
Besorgt trat er an Niokas Fenster und bat sie, herauszukommen und mit ihm zu reden. Er hätte nie gewagt, das große Haus zu betreten.
Zu seinem Erstaunen stürmte sie auf ihn zu und umarmte ihn, obwohl sie niemals echte Freunde gewesen waren.
»Spinner, wie schön, dich zu sehen. Gut siehst du aus. Bist du nicht auch ein wenig gewachsen?«
Er konnte ja nicht ahnen, daß Nioka dankbar war, ihrer selbstauferlegten Einsamkeit entfliehen zu können, und sich verzweifelt danach sehnte, mit jemandem zu sprechen. Geschmeichelt setzte er sich mit ihr unter den alten Feuerbaum und war stolz, daß diese Frau, eine Heldin, seine Gegenwart zu schätzen wußte. Die Weißen lobten sie derzeit über den grünen Klee.
Er erklärte ihr sein Dilemma, und jetzt umarmte sie ihn aus lauter Dankbarkeit, daß er die ganze Zeit über nach ihren Jungen Ausschau gehalten hatte.
»Du brauchst dir keine Sorgen mehr zu machen. Jetzt bin ich hier. Ich gehe nicht fort. Ich warte auf sie. Harry hat mir versprochen, sie zu suchen. Sie lassen mich hier wohnen. Ich suche mir Arbeit.«
»Ehrlich?« fragte Spinner erstaunt.
Nioka lachte. »Ja. Es ist mir inzwischen egal. Ich habe ohnehin nichts anderes zu tun. Ich habe ganz allein da drüben im Busch gelebt …«
»Das wußten wir«, sagte Spinner, ohne einzugestehen, daß die Schwarzen nicht gewußt hatten,
wer
sich dort aufhielt.
»Aber wir haben es keinem verraten. War auch gut so, was? Sonst wärst du nicht dagewesen, um Teddy zu retten. Mann,
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