Sterne im Sand
Krankenhaus.«
Buster wollte es einfach nicht verstehen. »Wie konnte so etwas mit Doombie nur passieren? Du verstehst doch etwas von Krankenpflege, du mußt wissen, wie man ihn gesund machen kann. Er kommt doch wieder in Ordnung, oder? Er ist noch so klein. Diese Krankheit kann er doch gar nicht haben.«
»Doch«, sagte sie sanft, »du hast gehört, was der Arzt gesagt hat. Wir wissen nun, was zu tun ist. Ich dachte, wir könnten einen Wagen mieten und ein paar Stunden an die See fahren. Doombie war noch nie am Meer.«
»Genau, das machen wir! Das wird ihn aufmuntern.« Er wäre am liebsten sofort zu dem Jungen hineingestürzt, doch Molly hielt ihn zurück, da sich das Kind nicht zu sehr aufregen durfte.
Das Flußboot
Marigold
hatte schon bessere Tage gesehen, war aber immer noch der ganze Stolz seines Besitzers Theo Logan, der sich gern als ›Captain‹ ansprechen ließ. Er hatte einige Jahre als einfacher Matrose bei der britischen Marine gedient, bis er einem Offizier den Kiefer brach und in einem tasmanischen Gefängnis landete. Für einen Burschen, der aus den Slums von Glasgow in die weite Welt aufgebrochen war, stellte dies keine besonders schwere Prüfung dar. Der Herr hatte ihm einen kräftigen Körper und ungewöhnliche Stärke verliehen, so daß er alle Strafen ertragen konnte, mit denen ihn die Wärter bedachten. Und die waren zahlreich, da Theo alles andere als ein Musterhäftling war. Er verabscheute das Eingesperrtsein aus tiefster Seele, vor allem, weil er überzeugt war, daß der Offizier ein Dieb und Lügner gewesen war und den Schlag vors Kinn durchaus verdient hatte, da er ihn in seine krummen Geschäfte hineinziehen wollte. Schon bald galt er bei der Gefängnisbehörde als übler Kerl, widerspenstig, kampflustig und oftmals brutal. Die anderen Gefangenen machten einen weiten Bogen um den jähzornigen Einzelgänger, wobei sie dessen Tobsuchtsanfälle durchaus unterhaltsam fanden.
Zwei Jahre im Gefängnis von Hobart reichten ihm, und beim erstbesten Gefangenenaufstand ergriff er die Gelegenheit, über das Dach zu fliehen. Er fand Unterschlupf in der Unterwelt des Hafens mit seinen schmutzigen Gasthäusern und Bordellen, wo er seinen Namen in Theo Logan änderte. Den würde er nicht so schnell vergessen, schließlich war es der Name des Marineoffiziers, dem er den Kiefer gebrochen hatte.
Schon bald heuerte er auf einem Walfänger an. Theo fuhr lange Jahre zur See, segelte quer über den Pazifik von Hobart nach Chile, bis er auf ein anderes Schiff wechselte, das in den ruhigeren Gewässern der Moreton Bay auf Walfang ging. Sein Heimathafen war Brisbane.
Dort begegnete der alte Seemann Marigold Frew, der Besitzerin des Ship Inn, und heiratete sie. Es hieß, sie sei eine alte Vettel, eine schlampige, ordinäre Harpyie, doch niemand wagte es, sie in Hörweite ihres Mannes so zu nennen. Sie waren Seelenverwandte, die einander vollkommen verstanden und niemals stritten. Weder Marigold noch Theo waren während ihres schweren Lebens je verheiratet gewesen und trauten niemandem über den Weg, so daß es für sie beide einer Offenbarung gleichkam, mit fünfzig noch der einen, großen Liebe zu begegnen. Nach einer ziemlich verhaltenen Zeit der Werbung trafen sie eine Entscheidung, traten hinaus in den Sonnenschein und ließen in der nächsten Kirche ihre Verbindung segnen.
Es gab keine Feier und kein Hochzeitsfrühstück, da sie die Trauung als höchst private Angelegenheit betrachteten. Theo arbeitete als Stallknecht im Gasthaus und half manchmal hinter der Theke aus, wenn er nicht gerade als Rausschmeißer gebraucht wurde. Die Gäste bemerkten die neuen Verhältnisse erst, als das Schild über der Tür auf einmal ›M. und T. Logan‹ als Besitzer auswies. Die Stammgäste gratulierten überschwenglich, bekamen ein Freibier und wurden mit einem freundlichen Nicken bedacht, ansonsten aber lief alles weiter wie zuvor. Das Ship Inn war immer voll, so daß während der Arbeit keine Zeit für Zärtlichkeiten blieb, doch wenn abends der letzte Betrunkene auf dem Heimweg war, die Kasse abgerechnet und die Türen verschlossen und verriegelt waren, betrachteten Marigold und Theo einander verliebt und voller Staunen darüber.
Um ihretwillen erwähnte Theo nie, daß er die See vermißte, das Auf und Ab der Wellen, das Klatschen des Wassers unter seinen Füßen, die Sterne, das Mondlicht auf dem Deck und die wilden Stürme des südlichen Meeres. Er wußte selbst, daß er nicht länger seefest war mit seinem
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