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Sterne im Sand

Sterne im Sand

Titel: Sterne im Sand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Shaw
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die Wahl des Ortes. Sie wehrten sich dagegen, daß man Hunderte von Schwarzen, wenn auch auf einem abgeriegelten Gebiet, in ihrer Mitte zusammenpferchte. Leider bemerkten sie es zu spät, denn die Bürokraten in Brisbane hatten die Umsiedlung heimlich, still und leise über die Bühne gebracht. Eine deutsche Pioniersfrau, die jenseits von Nerang lebte, verfaßte einen von Trauer erfüllten Brief an die
Courier Mail,
in der sie die Regierung der übertriebenen Härte bezichtigte. Diese träfe nicht nur die Schwarzen, die mit Gewalt von ihrem Territorium vertrieben würden, sondern auch die kleine weiße Gemeinde, deren Angehörige die Aborigines als Freunde betrachteten. Sie erklärte, die Pionierfamilien schuldeten den einheimischen Schwarzen ungeheuer viel. Sie seien ihnen in den schweren Jahren, in denen sie erst lernen mußten, sich von der fremden Erde zu ernähren, freundlich und hilfsbereit begegnet. Die Frau bat flehentlich um ihre Rückkehr, doch der Brief wurde nie veröffentlicht. Vielleicht, so dachte sie später, sei ihr Englisch nicht gut genug gewesen.
    Es gab auch Farmer, die das Reservat mit Erstaunen betrachteten. Sie lagen nicht im Streit mit den Aborigines und stellten sich nur die offensichtliche Frage: Diese Ebenen boten hervorragendes Ackerland, doch wie sollten so viele Menschen auf einem so kleinen Gebiet überleben können? Ursprünglich hatten sie angenommen, daß dies ein landwirtschaftliches Projekt sei, wurden aber bald schon eines Besseren belehrt, als immer mehr schwarze Familien in diese Gegend gebracht wurden. Es entstanden dort auch keine Farmen, sondern eine Vielzahl von winzigen Gemüsegärtchen, Hütten, Suppenküchen und Lagerschuppen, in denen die Bewohner mit Hilfe eines komplizierten Gutscheinsystems Nahrung erhielten. Eingeschmuggelter Schnaps diente als Währung und Trostbringer gleichermaßen.
    Harry, der die Zusammenhänge nicht kannte, sah nur ein dichtbevölkertes Gebiet und dachte bei sich, daß die Farmer und Viehzüchter wohl deshalb mehr Land für sich beanspruchten. Toowoomba und Ipswich wuchsen rasch. In wenigen Jahren würden dies eigenständige Städte sein, und der Westen würde weitere Siedlerströme aufnehmen müssen. Nur ganz im Norden des Landes, der mit seinen ungeheuren Entfernungen abschreckend wirkte, würden die riesigen Farmen überdauern können.
    In Ipswich angekommen, ging er ins Railway Hotel, trank einige Gläser Bier und stieg wieder in den Zug, um seine Mission in Brisbane zu erfüllen. Vielleicht konnte ihm ja der anglikanische Erzbischof den Weg zur Kirche des Heiligen Wortes weisen.
     
    In seinem neuen Zuhause hatte Jagga viele Spielkameraden. Es tat ihm nicht leid, sich von seinen komischen Kleidern zu trennen; vor allem der Abschied von den Schuhen, die Maggie alsbald zu Geld machte, fiel ihm leicht. Sie gab ihm zu essen, wenn sie nüchtern war; ansonsten aß er, was sich gerade bot. Meist ergatterte er etwas in den klapprigen, offenen Schuppen, die sich an die elenden Hütten lehnten. Nur wenige Menschen übernachteten in diesen Unterkünften; sie wurden lediglich als Regenschutz benutzt, denn die meisten Bewohner schliefen lieber im Freien.
    Bald schon lernte Jagga, Schwierigkeiten aus dem Weg zu gehen. Überall herrschte Kampf: zwischen den einzelnen Clans; den Leuten, die Gemüsen anbauten, und jenen, die es stahlen; unter Betrunkenen; zwischen Männern und Frauen … es nahm einfach kein Ende. Die Kinder bewarfen angebliche Feinde mit Steinen und wurden daraufhin gejagt und geschlagen. Jagga entwickelte sich zu einem drahtigen Straßenbengel, der die besten Verstecke für seine geschenkten oder gestohlenen Vorräte kannte. Von Mrs. Smith und ihrer Köchin hatte er recht gut Englisch gelernt und trieb sich nun oft bei der Lagerverwaltung herum, wo er dem Leiter, Mr. Jim, zuhörte, der inzwischen fünf Angestellte befehligte. Schließlich fanden sie eine Aufgabe für ihn. Er wurde ihr Botenjunge, der durch das Chaos sauste und Personen aufspürte, die die Beamten nicht mehr wiedererkannt hätten. Dafür erhielt er gelegentlich eine Orange oder einen Lutscher, manchmal auch Essensreste, was den Neid seiner Freunde weckte. Die Kinder bezeichneten ihn als Spion und schlugen nach ihm, doch er lernte schnell, sich mit der einzigen Waffe zu wehren, die er besaß: Er drohte ihnen, Mr. Jim davon zu berichten, der sie ins Gefängnis sperren würde. Dieses geheimnisumwitterte Gebäude war erst kürzlich gebaut wurden, um Betrunkene und

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