Sterne im Sand
Geld brauchst, leihst du es dir eben. Du stehst dich doch gut mit den Banken.«
»Etwas ähnlich Dummes hatte ich auch von dir erwartet«, versetzte Victor spitz. »Du hast doch gehört, daß Daddy es sich nicht leisten kann. Wir würden uns auf mehrere Generationen hinaus verschulden.«
Austin beachtete ihren Streit nicht. »Es gibt zwei Ansatzmöglichkeiten. Entweder wir beschäftigen Grenzreiter, die Eindringlinge fernhalten, oder wir fangen an, die besten Stücke Land abzustecken.« Er erklärte, daß diese Weidegebiete geortet und kartographiert werden müßten. »Auf diese Weise können wir die Siedler vom lebenswichtigen Wasser abschneiden und den Lumpen, die unbedingt etwas von uns haben wollen, das kümmerliche, felsige Land überlassen.«
»Du redest, als sei es schon Wirklichkeit«, wandte Victor ein. »Es ist kein feststehender Beschluß, sondern das Wunschdenken der Siedler, die eine günstige Gelegenheit wittern.«
»Nicht zu Unrecht«, warf Rupe ein. »Wir müssen einfach feststellen, welches unsere besten Weidegründe sind.«
»Das dürfte kein Problem sein«, sagte Austin. »Ich habe die Karten hier. Wir kennen dieses Land, sie nicht. Wir fangen gleich an. Victor, hol ein paar Stifte. Und einen Radiergummi.«
»Jetzt?« fragte Rupe. »Warum denn jetzt? Wir haben jede Menge Zeit.«
»Wer sagt das? Ich nicht.«
»Aber das kann die ganze Nacht dauern.«
»Meinetwegen soll es die ganze Woche dauern. Wir arbeiten die Karten hier durch, dann reitet ihr hinaus und steckt die Grenzen ab, damit sich die Vermesser an die Arbeit machen können.«
Als Charlotte hereinkam, um sie ans Abendessen zu erinnern, fand sie alle drei über Landkarten gebeugt vor, provisorische Linien ziehend.
»Unsere Gäste warten.«
Austin war so in seine Pläne vertieft, daß er kaum den Kopf hob. »Fangt schon mal an. Wir haben zu tun.«
»Aber euer Essen wird kalt.«
Er drehte sich auf seinem Stuhl herum. »Hast du nicht gehört? Wir essen später.«
Charlotte sah ihre Söhne an. Als von ihnen keine Antwort kam, zog sie sich zurück.
Wütend sagte sie Hannah Bescheid, die davon ebensowenig begeistert war, und führte die Gäste ins Speisezimmer, wo sich Louisa zu ihnen gesellte.
»Wo sind die Männer?« erkundigte sich ihre Schwiegertochter.
»Sie essen später.«
»Wieso?«
»Sie haben zu tun.«
Louisa wandte sich zur Tür. »Das werden wir ja sehen!«
»Das würde ich lieber nicht tun.« Sie verstand die Warnung und ließ sich mit einem gereizten Seufzen am Tisch nieder.
»Dann werde ich das Gebet sprechen«, verkündete Reverend Billings.
Amy saß während des Essens brav neben ihrem Ehemann. Die Mahlzeit war köstlich – cremige Suppe, saftige Lammkoteletts, herrliches Gemüse und ihr Lieblingsdessert, gedämpfter Aprikosenpudding mit Vanillesauce und Sahne –, doch sie konnte sie nicht richtig genießen. Ihr Rücken schmerzte, und Tom starrte sie finster an, wann immer sie sich anschickte, den Mund aufzumachen. Sie durfte nicht einmal auf Fragen antworten. Ihre Strafe würde sie später erhalten.
Er war sehr schlecht gelaunt, da seine Versuche, Mr. Broderick zu sprechen, fehlgeschlagen waren. Die Abwesenheit des Gastgebers am Tisch trug nicht gerade dazu bei, seine Stimmung zu heben. Amy wußte jedoch, daß auch sie Tom gegen sich aufgebracht hatte, was ihr sehr leid tat. Sie hätte es besser wissen müssen.
Er hatte sie nach ihrem Spaziergang schon ungeduldig erwartet.
»Wo bist du gewesen? Meine Socken müssen gestopft werden, und du hast nichts anderes im Sinn, als an diesem gottverlassenen Ort herumzulaufen, als gehöre er dir.«
»Ich bin nur spazierengegangen. Ich stopfe deine Socken jetzt gleich.«
Er warf sie ihr hin. »Erwartest du etwa, daß ich es diesen selbstzufriedenen Sündern gleichtue? Ich besitze nur zwei Paar Socken und werde, gelobt sei der Herr, immer nur zwei Paar Socken besitzen, von denen eins in der Wäsche und das andere zum Tragen gedacht ist. Doch was muß ich sehen? Löcher!«
»Tut mir leid, ich werde sie sofort stopfen.«
»Dafür bleibt uns keine Zeit, wenn wir die Regeln dieses Hauses einhalten wollen.« Er entriß ihr die Socken. »Ich werde sie samt Löchern tragen, und wenn sie es bemerken, wird es dich Demut lehren. Dich, nicht mich. Mit wem bist du spazierengegangen?«
Die Frage kam so plötzlich, daß sie Amy unerwartet traf. »Allein natürlich.«
Seine Faust prallte auf ihren Rücken, und sie fiel gegen die Wand. »Lügnerin! Ich war im
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