Sterne im Sand
hat heute Geburtstag.«
»Mein Gott.«
Sie saßen schweigend da, bis sich Charlotte wieder gefaßt hatte.
»Nicht ein Wort?«
Sie schüttelte den Kopf. »Wir haben in aller Welt Erkundigungen eingezogen, weil er immer gesagt hatte, er wolle auf Reisen gehen. Nichts. Wir wissen nur, daß er sich einige Tage in Brisbane aufhielt, nachdem er Springfield verlassen hatte. Er besuchte diese frühere Gouvernante von Teddy, saß mit Freunden in einer Bar zusammen und ist dann verschwunden. Seither haben wir nichts mehr von ihm gehört.«
»So wie ich Rupe kenne, ist er in Europa und lebt dort in Saus und Braus. Er wird irgendwann unangekündigt heimkommen, um dich zu überraschen. Du weißt doch, wie er ist.«
»Schön wär’s, aber ich glaube nicht daran. Die Pastoral Company läuft übrigens gut, ich habe einen Trust auf Rupes Namen eingerichtet, in den jeder Penny seines jährlichen Gewinnanteils einbezahlt wird.«
»Gut, dann erwartet ihn bei seiner Heimkehr eine schöne Überraschung«, sagte Ada munter, um Charlotte von ihren trüben Gedanken abzulenken. »Dein verlorener Sohn wird aus allen Wolken fallen, wenn er erfährt, daß er zu einem reichen Mann geworden ist. Und reich wird er doch sein, oder nicht? Zumindest unsere eigenen Gewinne können sich sehen lassen, und die sind doch bestimmt mit denen von Springfield vergleichbar.«
Charlotte sah sie an. »Eines kann ich dir mit Sicherheit sagen, Ada. Ich kenne Rupe. Er würde wissen, daß hier Geld zu holen ist, und es nicht einfach jahrelang liegen lassen. Er kann nie genug davon haben.«
Sie sah auf ihre Hände nieder, die wie im Gebet gefaltet waren. »Nein, er ist tot. Das spüre ich. Auch seine Brüder wissen es, bemühen sich aber, mir gegenüber den Schein zu wahren.«
»Das tut mir unendlich leid, meine Liebe.«
Charlottes Stimme klang gequält. »Wie lange sollen wir noch so weitermachen? Wir haben nie eine Messe lesen lassen, nicht einmal einen Gedenkgottesdienst abgehalten. Er ist nicht zur letzten Ruhe gebettet worden.«
Ada, die jetzt auch den Tränen nahe war, wußte keinen Rat.
»Charlotte, ich kann dir wirklich nicht helfen. Du solltest mit Craig darüber sprechen.«
Charlottes Mann wartete in seinem Zimmer auf Teddy Broderick, der jeden zweiten Samstag das Internat verlassen und mit seinen Großeltern in der Stadt essen durfte. Er freute sich jedesmal schon lange im voraus darauf. Teddy war ein hübscher, hochgewachsener Bursche mit den kräftigen Gesichtszügen der Brodericks und einem kupfernen Schimmer im Haar, über den sich Charlotte besonders freute. Ihre drei Söhne hatten das blonde Haar ihres Vaters geerbt, doch bei ihrem Enkel hatte sich ihre eigene Haarfarbe durchgesetzt.
Victor zog sie gern damit auf und erklärte, die Sonne von Springfield würde Teddy das Haar schon bleichen, wenn er erst wieder dort lebte, doch Charlotte war nicht zu überzeugen. Sie glaubte fest daran, daß das Rot mit der Zeit noch deutlicher hervorkäme, zumal Harrys Söhne ebenfalls blond waren. Inzwischen war es bei ihnen zu einer Art Familienwitz geworden.
Craig Winters lächelte. Seine Ehe mit Charlotte hatte ihm mehr Glück beschert, als er je glaubte zu verdienen. Selbst kinderlos, hatte er nun nicht nur eine wunderbare Frau, sondern eine ganze Familie mit dazu, die er wie seine eigene liebte.
Sein Sekretär klopfte und kündigte mit einem Seufzer an, daß ein Klient im Vorzimmer warte.
»Wer ist es denn? Ich erwarte für heute niemanden mehr.«
»Ein Kapitän Logan«, sagte der Sekretär mit hochgezogenen Augenbrauen. »Jedenfalls nennt er sich so.«
»Haben Sie ihm gesagt, daß ich heute nur halbtags geöffnet habe? Ich muß gleich weg.«
Ein stämmiger Mann in Seemannskleidung schob sich ins Zimmer und hinkte auf den Schreibtisch zu. »Ich will Sie nicht lange aufhalten, Sir. Ich möchte nur mein Testament machen, ein paar Zeilen. Kriegen Sie das hin, Mr. Winters, oder soll ich mir einen anderen Rechtsverdreher suchen?«
Craig starrte ihn an. Das Gesicht des alten Knaben verschwand beinahe hinter dem ungepflegten grauen Bart und den überlangen Koteletten. Auf dem Kopf saß eine schwarze Mütze, die er beim Eintreten nicht abgenommen hatte. Die Augen unter den buschigen Brauen wirkten hart.
Craig sah auf die Uhr. »Ich habe wirklich nicht viel Zeit.«
»Ich kann Sie bezahlen, wenn es das ist, was Ihnen Kopfzerbrechen macht. Ich will mir von Ihnen nur ein Testament aufsetzen lassen.«
»Es ist keine Frage des
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