Sterne im Sand
hätte zu einem Aufruhr führen können, den Billings vermutlich vermeiden wollte. Vielleicht war es gar nicht so schlecht, daß er so unauffällig mit den Kindern verschwunden war.
Er trat auf die Veranda hinaus und schickte alle bis auf die Eltern der drei Kinder ins Lager zurück. Dann hockte er sich unter einen Baum.
Eine Stunde lang kaute er die Geschichte mit ihnen durch, begleitet von Minnies Schluchzen und Niokas Wutausbrüchen. Gabbidgee und seine Frau waren ob der unerwarteten Ereignisse vollkommen verstört.
Victor erinnerte sie daran, daß auch er und seine Brüder auf die Schule gegangen waren. Charlotte hatte geweint, als sie ihr Zuhause verließen. Er sagte, wieviel Glück die Jungen hätten, und daß sie nicht einsam sein würden. Er fragte nach, ob die Kinder geweint hätten, und hörte erleichtert, daß dies nicht der Fall gewesen war. Hannah brachte auf seine Anweisung heißen, gesüßten Tee und Kuchen, den nur Nioka entschieden ablehnte. Anscheinend gewann er an Boden. Victor erklärte, daß die Jungen in die große Stadt gefahren seien, wo sie alle möglichen Wunderdinge erleben würden, so daß sie bei ihrer Rückkehr eine Menge Geschichten zu erzählen hätten.
»Wann kommen zurück?« schluchzte Minnie.
Da er sie nicht belügen wollte, sagte Victor nur: »Wenn es an der Zeit ist.«
Schließlich fragte Gabbidgee: »Boß-Mann, dein Daddy, er sagen ist gut? Er sagen Jungen sollen in Schule lernen wie seine Jungen?«
»Ja.«
Der Schwarze nickte unglücklich. Dann machte er seiner Frau ein Zeichen, und wortlos gingen sie davon.
Nur die beiden Schwestern blieben zurück. Minnie schien sich in das Unvermeidliche zu fügen, war aber zutiefst erschüttert. Nioka war noch immer sehr zornig. Man mußte ihr einfach Zeit lassen, damit fertig zu werden, dachte Victor bei sich. Hunderte von schwarzen Eltern machten in diesen Tagen das gleiche durch. Ihre Welt veränderte sich. So einfach war das. Er verstand ihren Schmerz, konnte aber nichts weiter für sie tun.
Im Lager herrschte bedrücktes Schweigen. Die Jahre der Einschüchterung zeigten nun Wirkung. Gabbidgee drohte in einem Anfall von Tollkühnheit damit, den Wagen aufzuspüren und die Jungen heimzuholen, doch die Ältesten warnten ihn vor den Gewehren der weißen Männer. Sie fühlten sich an die schrecklichen Zeiten zurückerinnert und weinten, als Gabbidgee seinen Speer schärfte und den Frauen gestattete, ihm bei der zeremoniellen Körperbemalung vor der Schlacht zu helfen.
Seine anderen Kinder flehten ihn an, nicht zu gehen, und sprachen von der Verpflichtung, die er ihnen und seinen Enkelkindern gegenüber habe; zur Zeit gab es einfach zu wenige Männer im Lager. Es ging sogar so weit, daß ein ritueller Kampf ausgetragen werden mußte zwischen seiner Frau und seiner ältesten Tochter, bei der sie einander mit schweren Keulen schlugen, bis eine nachgab. Blutend mußte sich Doombies Mutter geschlagen geben, da sie der stärkeren – und älteren – Gegnerin nicht gewachsen war. Gabbidgee hatte bei seiner Familie zu bleiben; sein jüngster Sohn interessierte die anderen Kinder nicht.
Nioka verhöhnte ihn. Sie würde selbst gehen, wenn sie über seine Erfahrungen als Fährtenleser verfügte. Sie fürchte sich nicht vor den Waffen der Weißen. Erschüttert und erfüllt von Trauer um seinen geliebten Doombie, zerschnitt Gabbidgee seinen Körper mit dem Messer und verkroch sich im Gebüsch, um für sein Versagen beim Beschützen des Sohnes zu büßen.
Es war nur gut, daß er dem Wagen nicht gefolgt war, da sich Billings inzwischen einer Gruppe von Viehtreibern angeschlossen hatte, die eine riesige Schafherde über die Viehwege nach Toowoomba trieb. Sie reisten mit einem Rollwagen, der ihnen bei ihrem Umherziehen als bewegliche Unterkunft diente.
Billings war erleichtert. Die Viehtreiber kannten den Weg im offenen Gelände und ermöglichten ihnen ein zügigeres Vorankommen. Da er alles andere als ein Buschkenner war, schätzte er ihre Fähigkeiten bei der Zubereitung von Mahlzeiten und dem Auffinden von Wasserstellen. Dies ersparte ihm unnötige Umwege und das Übernachten auf Farmen, wo er die Gegenwart der drei schwarzen Jungen hätte erklären müssen.
Die Viehtreiber waren zunächst ebenfalls neugierig gewesen, freuten sich aber, als sie hörten, woher die Jungen kamen. »Aus Springfield?« meinte ihr Anführer. »Eins muß man Broderick lassen: Er mag vor Jahren gegen die Schwarzen gekämpft haben, doch heute behandelt er sie
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