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Sterne ohne Namen

Sterne ohne Namen

Titel: Sterne ohne Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andre Norton
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die sich in das Eis schnitten. Vielleicht schmolz die Gletscherdecke von Sororis ganz langsam, und das hier waren die ersten Anzeichen. Doch die Luft war so kalt, daß man beim Atmen Dampfwolken vor sich her blies. Ich schloß den Helm, sicherte die Schleusentür mit meinem Daumenabdruck und marschierte mit meinem Paket über den harten, gefrorenen Sand.
    Wenn Ryzks Berechnungen stimmten, brauchte ich nur dem Tal zu folgen, bis es sich mit einem handförmigen Keil vereinte. Dort mußte ich dann in Kürze die Mauern von Sornuff vor mir sehen. Sobald ich diese Stelle erreicht hatte, war ich auf die Erzählung meines Vaters angewiesen. Und erst jetzt wurde mir klar, wie deutlich er das Land beschrieben hatte – fast als wollte er mir das Bild für immer einprägen.
    Zwischen mir und der Stadtmauer befand sich ein Heiligtum der Eisgöttin Zeeta. Sie war zwar nicht die bedeutendste Gottheit von Sororis, aber ihre Anhängerzahl war doch beträchtlich, und sie hatte für den Helden aus der Geschichte meines Vaters als Mittlerin gedient. Ich sage »sie«, denn in dem eisigen Bauwerk befand sich eine lebende Frau – oder Priesterin – die den erdgebundenen Teil der Göttin verkörperte.
    Ich kam von der »Klaue« zur »Hand« und sah tatsächlich die Mauern der Stadt – und nicht weit entfernt das Heiligtum Zeetas.
    Meine Landung war in der Morgendämmerung erfolgt, und nun glitzerten die ersten Sonnenstrahlen kalt und grell auf der hohen Eismauer, die sich hinter mir erstreckte. Ich sah in der Nähe des Heiligtums nicht das geringste Lebenszeichen und befürchtete schon, Zeeta könnte im Laufe der langen Jahre von ihren Gläubigen verlassen worden sein.
    Doch diese Sorge zerstreute sich schnell, als ich näher an das Steingebäude herankam, das mit glitzerndem Eis überpudert war. Es hatte die Form eines stumpfen Kegels und war etwa so groß wie die Wendwind. Das turmartige Gebäude war von Tischen umgeben – armdicke Eisplatten auf kräftigen Eispfeilern. Und in jeder dieser Platten waren die Gaben von Gläubigen und Bittstellern eingefroren.
    Nahrungsmittel, Pelze, Zierpflanzen – alles war in diese Blöcke gefroren. Es schien, daß Zeeta die Gaben niemals anrührte.
    Ich trat zwischen zwei Tischen durch auf die einzige Tür zu, welche die hohe Mauer durchbrach. Und ich atmete erleichtert auf, als ich am Portal den Gong entdeckte, von dem mein Vater erzählt hatte. Ich schlug ganz leicht mit dem Raumhandschuh dagegen – und der Gong erdröhnte, als wollte er den Gletscher hinter mir zum Bersten bringen.
    Die Übersetzungsmaschine war an meinem Hals befestigt, und ich hatte meine Worte genau einstudiert.
    Die Echos des Gongs wollten nicht schweigen. Und als niemand an den Eingang kam, wurde ich unsicher und zögerte. Die ziemlich frischen Gaben bewiesen, daß im Heiligtum noch Leben herrschte. Oder täuschte ich mich?
    Ich hatte mich fast zum Weitergehen entschlossen, als ich im dunklen Viereck des Eingangs eine flüchtige Bewegung wahrnahm. Eine Gestalt trat vor die Tür.
    Sie war ebenso vermummt wie die Lorgalier. Aber während die Nomaden normale Gewänder getragen hatten, war dieses Geschöpf so fest mit schmalen Stoffbändern umwickelt, daß es wie eine Larve im Kokon aussah.
    In die Bänder waren Ornamente in Form von Eiskristallen gestickt, und sie glitzerten in der Sonne. Der Körper darunter war nur schwach erkennbar. Ich sah zwei Beine und den tonnenhaften Torso. Wenn das Wesen Arme besaß, so waren sie fest an den Körper gewickelt. Der Kopf war rund wie ein Ball, und in der Stirngegend waren zwei bestickte Ovale für die Augen freigelassen.
    Ich verbeugte mich und streckte die Hände mit den Handflächen nach oben aus. Und obwohl das Ding keine sichtbaren Ohren hatte, äußerte ich meine Bitte, die vom Übersetzungsgerät mit einer Reihe von höheren und tieferen Trillern wiedergegeben wurde.
    »Heil Zeeta vom reinen Eise, das ewig währt. Ich erbitte die Gnade von Zeeta, der Herrscherin des Eislandes.«
    Die Gestalt trillerte etwas zurück, aber ich konnte keinen Mund sehen.
    »Du bist nicht vom Fleisch und Blute jener, die Zeeta sonst aufsuchen. Weshalb belästigst du mich, Fremder?«
    »Ich komme nicht mit leeren Händen, sondern weiß, was der Eisjungfrau gebührt …« Ich streckte die rechte Hand aus und legte auf den Rand der nächsten Eisplatte mein Geschenk, das ich nach einigem Nachdenken angefertigt hatte – eine dünne Silberkette mit ein paar geschliffenen Bergkristallen. Auf den inneren

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