Sterne ohne Namen
sich der Priester mir zu.
»Fremder, für eine Sonne, eine Nacht, zwei Sonnen, zwei Nächte, drei Sonnen, drei Nächte, kannst du dich frei in der Stadt Torgs bewegen und deinen Geschäften nachgehen, sofern sie im Rahmen der Gesetze Torgs sind.«
»Gelobt sei Torg«, erwiderte ich und verbeugte mich. Als ich mich abwandte, sah ich, daß die Zeremonie tatsächlich beobachtet worden war. Zumindest ein Dutzend der pelzbekleideten Menschen starrten mich intensiv an. Und obgleich sie zur Seite traten, um mich auf die Straße hinaus zu lassen, legte einer von ihnen die Hand auf meinen Arm und sagte:
»Fremder, der du Torg beschenkt hast, ich muß mit dir sprechen.«
»Du bist willkommen«, erwiderte ich. »Doch ich bin ein Fremder in deiner Stadt und habe kein Haus, unter dessen Dach wir sprechen können.«
»Mein Hausdach liegt in dieser Richtung.« Er trillerte die Worte hastig hervor und sah dabei über die Schulter, als befürchtete er, daß die anderen Tempelbesucher uns verfolgen könnten. Er nahm mich am Arm und zog mich weiter.
Da Zeit für mich kostbar war, hatte ich gegen seinen raschen Schritt nichts einzuwenden.
7
Er führte mich durch eine Seitenstraße zu einem Haus, das eine Miniatur des Tempels darstellte. An der Kegelspitze befand sich ein Stein mit verschlungenen Schnitzereien, die schmerzhaft für das menschliche Auge waren.
Das Portal wurde weder durch eine Tür noch durch einen Vorhang abgeschlossen, aber im Innern standen wir plötzlich vor einem Wandschirm, hinter dem sich ein größeres Zimmer befand. An den Wänden hatte man Pfähle errichtet, und zwischen diesen Pfählen spannten sich Pelze, die den Raum in kleine Nischen abteilten. Die meisten Nischen waren durch die Pelzvorhänge verschlossen. Ich konnte Bewegung dahinter erkennen, doch es zeigte sich niemand. Mein Führer brachte mich zu einer der Nischen, riß den Vorhang zurück und zog ihn hinter uns wieder zu. Von der Wand ragte ein Vorsprung in dieses provisorische Zelt, und auf dem Vorsprung lag ein Pelzstapel, auf dem ich mich niederlassen mußte. Nachdem sich auch mein Begleiter in einigem Abstand gesetzt hatte, kam er direkt zur Sache.
»Fremder, du hast Torg ein großes Geschenk dargebracht.«
»Das stimmt«, sagte ich, als er eine erwartungsvolle Pause machte. »Es kommt von jenseits der Sterne.«
»Du kommst aus der Stadt der Fremden?«
Ich glaubte, Mißtrauen in seiner Stimme zu hören. Und ich hatte nicht den geringsten Wunsch, mit den Verbrechern der Hafensiedlung in Verbindung gebracht zu werden.
»Nein, ich hatte vor vielen Sonnen von meinem Vater über Torg gehört, und er erzählte mir die Geschichte jenseits der Sterne. Mein Vater hatte Achtung vor Torg, und ich kam mit einer Gabe, weil er es mir befahl.«
Er zupfte geistesabwesend an einigen Pelzfäden.
»Es heißt, daß einst ein Fremder hier war, der Torg ein Geschenk von den Sternen brachte. Und er war ein großzügiger Mann.«
»Torg gegenüber?« bohrte ich weiter, als er zögerte.
»Auch anderen gegenüber.« Er schien keine Worte für das zu finden, was er sagen wollte. »Alle Menschen wollen Torg mit schönen Geschenken Freude bereiten. Aber für einige kommt dieses Glück nie.«
»Du bist einer der Unglücklichen?« Ich hoffte, daß ich mir durch meine offenen Worte nicht selbst eine Falle grub. Aber ich hatte das Gefühl, daß er meine Ermutigung brauchte.
»Vielleicht …«, sagte er. »Die Geschichte behauptet, daß jener Fremde nicht nur einen Wunderstein, sondern mehrere hatte, und daß er sie großzügig an jene weitergab, die darum baten.«
»Die Geschichte, die ich von meinem Vater hörte, klang anders«, erwiderte ich. »Denn der Fremde gab zwar seine Wundergaben ab, doch er erhielt dafür andere Dinge.«
Der Mann riß die Augen auf. »O ja, das stimmt. Aber was er nahm, war nur Scheinbezahlung – Dinge, die zu unwürdig waren, als daß Torg sie auch nur bemerkt hätte. Und deshalb sage ich, daß er großzügig war.«
Ich nickte langsam. »Das ist gewiß richtig. Und diese unwürdigen Dinge – wie sahen sie aus?«
»Wie diese hier.« Er bückte sich, drückte auf eine Platte des Vorsprungs und öffnete sie. Er holte einen Fellbeutel hervor, aus dem er vier Steine nahm. Ich zwang mich dazu, ganz ruhig sitzenzubleiben. Ich hatte genug Aufnahmen von rohen Grünsteinen gesehen, um zu wissen, was ich vor mir hatte. Aber meine Finger zuckten. Ich wollte sie nach Fehlern untersuchen und sehen, ob sie tatsächlich so großartig
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