Sterne über Cornwall: Roman (German Edition)
gehalten.
Sie ging grübelnd in der Diele auf und ab, bis ihr wieder übel wurde und sie sich übergeben musste. Sie brauchte frische Luft. Maddie schlüpfte in die Kleidung, die auf einem Stuhl lag, und suchte in einer Schublade nach Socken. Dabei ertastete ihre Hand den Rosenkranz, den ihre Mutter ihr zur Erstkommunion geschenkt hatte. Die meisten anderen Zeugnisse ihres alten Glaubens hatte sie weggeworfen, nur nicht den Rosenkranz.
Plötzlich sehnte sie sich nach der Kirche. Heilige Maria, voll der Gnade, der Herr ist mit dir … , tönte es in ihrem Kopf, als sie den Rosenkranz zurück in die Schublade legte. Vielleicht würde ein Kirchenbesuch ihr Kraft geben.
Als sie an die schwere Eichentür trat, hörte Maddie drinnen Leute singen. Sie hatte vollkommen vergessen, dass Sonntag war. Wie schnell sie sich doch von ihrem alten Leben entfernt hatte! Um den Gottesdienst nicht zu stören, öffnete sie die Tür ganz leise und rutschte in eine der hinteren Bänke. Jemand drückte ihr ein Gesangbuch in die Hand, das sie nicht gebraucht hätte, weil sie die Texte aller Lieder auswendig kannte.
Sie sprach die Gebete automatisch mit und wartete nach der Messe, den Blick auf das Gesangbuch gesenkt, um mit niemandem reden zu müssen, darauf, dass das Gotteshaus sich leerte. Als sie endlich allein war, gab sie sich der Ruhe des Raums hin und verfolgte das Spiel des Lichts auf dem Boden. In ihrem Kopf begann ein Gemälde aus wirbelnden grauen Formen Gestalt anzunehmen. Nein, heute wollte sie nicht ans Malen denken. Sie musste den Mut finden, mit Mark zu sprechen. Je eher sie das tat, desto schneller konnte sie ihr Leben neu ordnen.
Tränen liefen ihr übers Gesicht. Was hatte sie getan? Früher hatte sie Kraft aus ihrem Glauben geschöpft und mit seiner Hilfe alles akzeptiert, was ihr zuteilwurde, das Gute wie das Schlechte. Während Johns Krankheit hatte sie für ihn und um Stärke gebetet, und dann hatte John genau das von ihr verlangt, was ihr unmöglich war. Und sie hatte es getan. Maddie schloss die Augen.
Sie hatte ihm die Abtreibung versprochen. Den Termin hatten sie gemeinsam vereinbart, ohne zu wissen, dass er ihr nicht mehr würde beistehen können. Leben war etwas Heiliges, und sie hatte es einfach weggeworfen. Jetzt, mehr als ein Jahr später, wünschte sie sich, dass sie ihrem Herzen gefolgt wäre und ihr Versprechen nicht gehalten hätte. Es wäre so leicht gewesen, und John hätte es nie erfahren.
Nun ließ es sich nicht mehr rückgängig machen.
Maddie wischte sich die Tränen ab. Ihre Sünden waren viel schlimmer, als die von Mark je sein konnten. Sie verdiente, anders als er, keine Vergebung. Maddie stand auf.
»Hallo.«
Maddie zuckte zusammen. Der Geistliche.
»Sie haben sich nicht bei mir gemeldet.« Er legte eine Hand auf ihre Schulter.
»Tut mir leid.«
»Sie müssen sich nicht entschuldigen. Kann ich Ihnen irgendwie helfen?«, erkundigte er sich.
»Danke, mir geht’s gut.« Sie versuchte zu lächeln.
»Trauer kann viele Formen annehmen.« Er ließ den Blick über die Buntglasfenster und den Altar wandern. »Genau wie die Liebe.«
»Dann wissen Sie mehr als ich.«
»Nein, aber ich bin offen.«
Maddie sehnte sich danach, sich ihm in der Beichte zu offenbaren, doch der arme Pfarrer hätte bestimmt nicht gewusst, was er mit einer gescheiterten Katholikin anfangen sollte, der Vergebung unmöglich zu sein schien.
»Seit unserer letzten Unterhaltung auf dem Friedhof habe ich mich ein wenig mit der örtlichen Geschichte beschäftigt, aber nichts über Gespenster in Trevenen gefunden.«
»Danke.«
»Ich habe es einem Kollegen gegenüber erwähnt, ohne genauere Informationen; ich hoffe, Sie haben nichts dagegen.«
Sie schüttelte den Kopf. Geheim bleibt nur, was man nicht erzählt. Früher einmal hatte sie Gott für allwissend gehalten.
»Ich habe ihm gesagt, dass Sie in Trauer sind, und er hat mir erzählt, dass er in den Anfängen seiner Amtszeit einen seltsamen Fall erlebt hat, bei dem ein Kind seinen Kummer aus dem eigenen Körper heraus projizierte.«
»Ach.« Maddie musste an Hannahs Schmerz denken. »Danke für Ihr Interesse«, sagte sie hastig und floh auf den Friedhof.
Dort versuchte sie, sich all die guten Dinge ihres Lebens ins Gedächtnis zu rufen. Sie besaß ein Haus und ein schönes Atelier, die schon bald renoviert sein würden. Und sie war halbwegs gesund, auch wenn sie im Moment meinte, Fieber zu haben.
Es war dumm von ihr gewesen, sich so unbedacht in die Affäre mit
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