Sterne über Cornwall: Roman (German Edition)
der Teekanne, aber egal – die Sachen gehörten schließlich nicht ihr. Sie stellte Milch, Teekanne, Tassen und die Packung Kekse darauf. Er gab Untertassen, ein Teesieb und einen Teller dazu. Dann nahm er die Kekse aus der Verpackung und legte sie auf den Teller.
Unverschämtheit! Hannah verkniff sich eine bissige Bemerkung und folgte ihm in den Garten, wo sie durch eine Lücke in der Hecke zu einem hübschen sonnigen Fleck mit Bäumen voller Obst gingen.
»Nun, Miss Hollis, würden Sie so freundlich sein, uns den Tee einzuschenken?«
»Soll das ein Witz sein?«
»Warum sollte ich scherzen?« Tom saß mit übereinandergeschlagenen Beinen da.
»Woher wissen Sie, dass ich das kann?« Hannah sah in seine blauen Augen.
»Ich dachte, das ist eine Grundfertigkeit, die jeder ab einem gewissen Alter beherrscht. Täusche ich mich da etwa?«
Hannah biss sich auf die Lippe, als sie das zarte Porzellan hochhob. Obwohl ihre Finger ihr plump vorkamen, gelang es ihr, das kleine Teesieb weder zu verfehlen noch zum Überlaufen zu bringen. Sie hielt ihm die Tasse hin, doch er nahm sie nicht.
»Hallo, Ihr Tee«, sagte sie.
»Nein, nicht mein Tee.«
»Nicht Ihr Tee? Wieso nicht?«
»Ich mag den Tee nur komplett mit Tasse, Untertasse und Löffel.«
»Sie sind verrückt. Wir haben doch nicht mal Zucker. Wozu brauchen Sie da einen Löffel?«
»Zum Umrühren«, antwortete er.
Hannah blinzelte. Na schön, auch gut. Sie stellte die Tasse auf die Untertasse und ging in die Werkstatt, um Löffel zu holen. Sie waren wie der in dem Teebehälter aus Silber und reich verziert. Hübsch.
Sie eilte in den Garten, nein, Obstgarten nannte Old Tom ihn wohl, weil es hier keine Blumen, nur Obstbäume gab, zurück, stolperte über eine Baumwurzel und fiel hin.
»Immer mit der Ruhe, Miss Hollis.«
»Hannah.« Sie wischte sich das Gras von der Jeans und trat an den Tisch. Der Tee, den sie zuvor eingeschenkt hatte, war inzwischen kalt. Würde er schimpfen, wenn sie ihn ausschüttete? Sie hasste kalten Tee, also kippte sie ihn mit angehaltenem Atem ins Gras. Keine Klage, gut. Sie begann noch einmal von vorn.
»Milch?«, fragte Hannah und sah ihn unter ihren Haaren hervor an.
»Ja, bitte, aber nur wenig. Lapsang ist ein sehr feiner Tee, zu viel Milch ruiniert den Geschmack.«
»Dann werde ich viel Milch brauchen.« Sie reichte ihm Tasse, Untertasse und Löffel.
»Danke, Miss Hollis.«
»Hannah.« Ob der Tee wie der Aschenbecher schmeckte, nach dem er roch? Die Tasse in der Hand, lehnte sie sich zurück und schwang ein Bein über die Armlehne ihres Stuhls.
»Nun, Miss Hollis, was führt Sie nach Cornwall?«
»Sagen Sie Hannah zu mir. Miss Hollis klingt nach einer alten Schullehrerin.«
»Ist das ein Problem? Die meisten alten Schullehrerinnen in meinem Bekanntenkreis sind ganz reizende Menschen.«
»Aber sicher langweilig.«
»Überhaupt nicht.«
»Für Sie vielleicht nicht.« Hannah nahm einen Schluck Tee und verzog das Gesicht.
»Zurück zur Ursprungsfrage: Was hat dich nach Cornwall geführt?«
»Scheißpech.«
»Kein Grund zum Fluchen«, ermahnte er sie.
»Ich hab nicht geflucht.«
»Doch«, widersprach er.
»Meinen Sie das ›Scheiß‹?«, fragte sie.
»Ja. Das ist ein Fluch.«
»Nein.«
»Doch.«
»Vielleicht im finsteren Mittelalter, aber jetzt nicht mehr.« Sie begann sich zu fragen, ob sie in eine Zeitmaschine geraten war. In eine, die ihr gar nicht so schlecht gefiel. Der Obstgarten war hübsch angelegt, und der verwitterte Tisch und die Stühle glänzten blau.
»Wer hat dir den Bären aufgebunden?«, erkundigte er sich.
Hannah setzte sich auf und stellte ihre Tasse auf den Tisch. Sie hatte gar nicht gemerkt, dass sie leer war. »Das sagt man die ganze Zeit.«
»Ja, doch verändert das die Bedeutung des Wortes?«
»Nein, aber heute versteht es niemand mehr als Fluch.«
»Und wer ist niemand?«, fragte er.
»Niemand, der nicht aus dem finsteren Mittelalter kommt.« Sie betrachtete seine faltige Haut und versuchte, sein Alter zu schätzen.
»Du meinst Leute über, sagen wir mal, sechzig?«
»Ja.«
»Könntest du dir das Wort dann bitte verkneifen, da ich in diese Kategorie falle?«
»Okay. Wenn Sie’s so sehr stört.«
»Danke. Und wärst du jetzt so freundlich, mir noch eine Tasse Tee einzuschenken?« Old Tom lehnte sich auf seinem Stuhl zurück.
Als Maddie an jenem Tag das zweite Mal die Augen öffnete, stand Mark mit einem Tablett am Fußende des Betts.
Bei ihrem letzten Blick auf den Wecker war es
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