Sterne über Cornwall: Roman (German Edition)
dich reingekippt hast.«
»Das ist ja schon mal was.«
»Sondern vier.« Hannah tänzelte aus dem Raum.
Maddie schwirrte der Kopf. Wie sollte sie das, was Hannah angerichtet hatte, wieder ins Lot bringen? Sie konnte nur hoffen, dass die Leute von der Galerie Hannah nicht ernst genommen hatten.
Hannah kam mit einem alten Fotoalbum zurück und knallte es auf den Tisch.
»Du hast mich angelogen.«
»Wie bitte?« Maddie rieb sich die Nasenwurzel. Zuerst die Sache mit der Galerie, und nun hatte Hannah auch noch einen ihrer Tobsuchtsanfälle.
»Du hast behauptet, du wärst im April das erste Mal in Trevenen gewesen.«
»Stimmt ja auch.« Maddie runzelte die Stirn.
»Quatsch. Schau.« Hannah schlug das Album auf und deutete auf ein Bild.
Maddie schluckte. Das war sie vor dem großen Baum. Aber das konnte nicht sie sein.
»Hier ist der Beweis.« Hannah legte den Finger darauf.
Das Blut wich aus Maddies Gehirn, und der Boden begann zu schwanken.
»Hey, nicht umkippen.«
Maddie zog das Album auf ihren Schoß. Als sie zu weinen begann, wich Hannah zurück. Mark ging zu ihr. Maddie versuchte sich zusammenzureißen.
»Das bin nicht ich.«
»Was, zum Teufel, redest du da? Blätter um, dann siehst du, dass du das bist. Du als Teenager. Mit ziemlich dämlichen Klamotten.«
Maddie putzte sich die Nase. »Wo hast du das gefunden?«
»In dem Schreibtisch im Zimmer mit den Büchern. Erinnerst du dich jetzt, dass du schon mal hier gewesen bist?«
»Vor April bin ich noch nie hier gewesen. Das ist meine Mutter.«
»Das ist nicht deine Mutter. Die war klein und dick.«
»Meine Adoptivmutter. Das da ist Nancy Penventon, meine leibliche Mutter.«
»Du bist adoptiert?«, fragte Hannah erstaunt. »Das hast du mir nie erzählt.«
»Ich dachte, das hätte ich.«
»Nein, das wüsste ich.« Hannah klang enttäuscht.
»Tut mir leid.«
Hannah zuckte mit den Achseln. »Wolltest du nie was über deine leibliche Mutter herausfinden?«
»Doch, aber ich habe erst mit sechzehn erfahren, dass ich adoptiert bin.« Maddie hörte die Sehnsucht in Hannahs Stimme. Dass ihre Mutter sie im Stich gelassen hatte, musste sie zutiefst verletzt haben. Maddies Adoptivmutter war wunderbar gewesen, und ihr hatte es nie an Liebe gemangelt.
»Hast du nach ihr gesucht? Sie kennengelernt? Wo ist sie?«
»Auf einem Friedhof im nördlichen Cornwall. Sie ist mit sechzehn Jahren bei meiner Geburt gestorben.«
»Puh, nur ein bisschen älter als ich.«
Maddie nickte.
»Hast du vorher schon mal Fotos von ihr gesehen?«
»Nein.«
Hannah schluckte und legte Maddie zu deren Überraschung eine Hand auf den Arm. Seit Johns Tod hatte Hannah sie nicht mehr freiwillig berührt. Maddie begann zu schluchzen.
Hannah wich zurück. »Ich geh dann mal.«
»Soll ich bleiben?« Marks Stimme klang sehr weit weg, als er Maddie eine Packung Papiertaschentücher reichte. Sie schüttelte den Kopf. Sie musste jetzt allein sein.
Im Zimmer war es dunkel. Maddie wusste nicht, wie lange sie das Foto schon angestarrt hatte. Darauf war die schlaksige Daphne mit Latzhose und Schaufel im Garten zu sehen. Ihr Gesicht, obwohl viel älter als das faltenlose, an dem Maddie tagtäglich im Flur vorbeiging, war ihr inzwischen sehr vertraut. Auf dem undatierten Bild musste Daphne zwischen fünfundvierzig und fünfzig sein.
Maddie blätterte mit zitternden Fingern weiter. Ihre Mutter war hier gewesen. Maddies Geburtsort war auf der Geburtsurkunde mit Plymouth angegeben, und bisher hatte sie angenommen, dass ihre Mutter in der Nähe gelebt hatte. Sie hatte ihre Verbindung zu Trevenen für locker gehalten, doch diese Fotos erzählten eine andere Geschichte.
Auf einem Bild, das Nancy am Strand zeigte, sah sie ein wenig verlegen und wunderschön aus. Obwohl es sich um ein Schwarzweißfoto handelte, konnte Maddie den Sonnenbrand auf ihren Schultern erkennen. Sie hob das Bild vorsichtig an und drehte es um. 1970. Maddie rechnete nach. War ihre Mutter da schon mit ihr schwanger gewesen? Sie konnte nichts erkennen.
Wer war ihr Vater? Hatte er ihre Mutter geliebt? Vielleicht war es gar nicht Liebe gewesen? Maddie ging das Album Seite für Seite durch. Auf jedem Bild wurde Nancys Lächeln strahlender. Keine dunklen Schatten trübten ihre wachen Augen. Nancy sah verliebt aus, aber in wen?
Als Maddie über ihre Adoption und den Tod ihrer Mutter informiert worden war, hatte sie sich Gedanken über ihren Vater gemacht. Auf der Geburtsurkunde stand: »Vater unbekannt.« Mehr hatten ihre
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