Sterne über Cornwall: Roman (German Edition)
etwas gegen die Kopfschmerzen. Maddie würde es ähnlich gehen, denn sie hatte sich am Abend die Kante gegeben. Und sie würde noch mehr leiden, wenn Hannah sie fragte, warum sie sie angelogen hatte. Hannah lächelte. Heute würde ein guter Tag werden. Sie sprang aus dem Bett.
In der Küche schaltete Hannah das Radio ein, öffnete das Fenster und winkte der Sonne zu. Die Kopfschmerzen ließen sicher nach, wenn sie etwas aß. Während sie Eier in eine Schale schlug, lief im Radio ihr Lieblingssong. Sie begann zu singen und herumzutanzen.
»Guten Morgen, Hannah. Du hast eine schöne Stimme.« Mark lehnte unrasiert und mit zerzausten Haaren im Türrahmen.
Hannah erschrak. »Was, zum Teufel, machen Sie hier?«
Er betrat den Raum. »Bin gerade aufgewacht.«
»Sie sind zum Frühstück gekommen?«
»Nein.«
Hannah knallte die Pfanne auf den Tisch. Ihr schönster Tag entwickelte sich rasant zu ihrem schlimmsten. Mark hatte hier geschlafen. Mit Maddie.
Er streckte sich. »Was ist aus der Schatulle geworden?«
»Sie waren in meinem Zimmer?« Hannah hörte auf, die Eier zu schlagen.
»Ja, im Halbschlaf dachte ich, es ist das Klo.«
»Sie haben in mein Zimmer gepinkelt?«, fragte Hannah entsetzt.
»Nein. Aber ich habe die Wandfarbe bewundert.«
Er war in ihrem Zimmer gewesen! Schlimm genug, dass er mit Maddie geschlafen hatte. Nicht dass ihr das viel Spaß gemacht haben konnte. Auf dem Tisch standen drei leere und eine halb leere Flasche. Moment, wieso hatte er das Klo in ihrem Zimmer vermutet? Maddie hatte ein eigenes. Offenbar war er in dem Zimmer neben dem von Hannah gewesen und in die falsche Richtung gegangen.
»Verrätst du mir, wie’s passiert ist?«, fragte er.
»Ach, ein Missgeschick.«
Mark nahm eine Kaffeetasse in die Hand. »Mit dem Hammer?«
Hannah hob den Blick.
»Willst du’s mir nicht sagen?«
Sie biss sich auf die Lippe. »Moment.« Sie holte die Schatulle von oben und stellte sie auf den Tisch.
Mark begutachtete sie. »Hast du Maddie davon erzählt?«
»Nein.«
»Hab ich mir fast gedacht.«
»Warum?«, fragte Hannah.
»Du erzählst ihr nie viel.«
»Warum sollte ich?« Hannah sah ihre Füße an.
»Tja, warum?« Er lächelte.
»Was für eine Arroganz!« Hannah rümpfte die Nase.
Mark musste lachen.
»Was ist so lustig?«, fragte sie.
»Arrogant hat mich noch niemand genannt.«
»Dann wurde es Zeit«, sagte Hannah.
»Möglich.«
»Ja. Glauben Sie, man kann die Schatulle reparieren?«
»Keine Ahnung. Das Holz ist auf dieser Seite ziemlich stark beschädigt. Und sie ist alt.«
»Ja, ich glaube, aus dem sechzehnten Jahrhundert.«
Mark hob den Blick. »Woher weißt du das?«
»Von den Papieren, die drin waren.«
»Papiere?«, wiederholte er.
»Ja.« Sie zuckte mit den Achseln.
»Hast du diese Papiere irgendjemandem gezeigt?« Er setzte sich auf einen Stuhl.
»Nein.«
»Dein Geheimnis?«
»Ja. Ich hab sie entdeckt. Mich würde nur interessieren, ob man die Schatulle reparieren kann.« Sie klopfte mit dem Fuß auf den Boden.
»Möglicherweise schon. Der Mann, der dir das sagen kann, wohnt ungefähr anderthalb Kilometer von hier weg. Old Tom Martin. Er kann vieles, Möbelrestaurieren ist seine Spezialität.«
»Aha. Kann ich ihn anrufen?«
»Ja, oder du gehst einfach hin. Er ist nicht mehr der Jüngste und verlässt seine Werkstatt nicht so gern, also vermute ich mal, dass er da ist.«
»Und wie komme ich hin?«
»Bieg nach der Auffahrt rechts ab und folge der Straße, bis du links ein Schild nach Martin’s Field siehst. Da wohnt er. Die Werkstatt ist hinterm Haus. Sag ihm, dass ich dich geschickt habe.«
»Wie alt ist er? Wie Sie?«
»Älter.« Mark schmunzelte. Hannah schüttelte den Kopf. Würde sie je begreifen, was in diesem Mark vorging?
Als Erstes sah Hannah das reetgedeckte Dach des Cottage; das kunstvolle Muster am unteren Ende erinnerte sie an ein Lebkuchenhaus. Aus dem Schuppen erklang klassische Musik. Die großen Türen standen weit offen, so dass Hannah die Neonröhre an den Deckenbalken erkennen konnte, unter der ein groß gewachsener, hagerer Mann über eine Werkbank gebeugt die Hand über ein Stück Holz gleiten ließ.
»Hallo?« Hannah bahnte sich vorsichtig einen Weg durch die Holz- und Möbelstücke, die auf dem Boden lagen. Leuchtend blaue Augen blickten sie an. Unheimlich.
»Sind Sie Tom Martin?« Hannah musterte sein wettergegerbtes Gesicht. Er war viel älter als Mark.
»Ja.« Er legte den Beitel weg und streckte ihr die Hand hin. »Und wer
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