Sterne über Cornwall: Roman (German Edition)
das Schriftstück in der Schatulle gefunden, die wir repariert haben?«
Hannah nickte. OTs Finger glitten über den Text, als würde er Blindenschrift lesen.
»Ich hab versucht, es zu entziffern, bin aber nicht weit gekommen«, gestand Hannah.
»Verständlich. War das Siegel schon erbrochen, als du es entdeckt hast?«, erkundigte er sich.
Hannah schluckte. Jeden anderen hätte sie angelogen, aber bei ihm konnte sie das nicht. »Nein.«
»Interessant.« Er beugte sich noch einmal darüber. »Es handelt sich tatsächlich um eine Art Testament.«
»Von wem?«, fragte Hannah.
»Von einer Catherine Penventon.«
Hannah trommelte mit den Fingern auf den Tisch. Sie wusste, dass OT sich nicht drängen ließ. Also stand sie auf und schaute ihm über die Schulter in der Hoffnung, plötzlich doch die Wörter lesen zu können, aber es gelang ihr wieder nicht. Frustriert wandte sie sich ab und blickte durchs Fenster in den nicht enden wollenden Regen hinaus.
»Sehr interessant«, sagte OT und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück.
»Was?«
»Sag mir, was du sonst noch über die Penventons weißt.«
»Nicht viel.«
»Verstehe.« Er legte die Fingerspitzen aneinander. Hannah erschien es, als würde er beten.
»Auf den ersten Blick ist das einfach das Testament von Catherine Penventon, in dem sie Trevenen ihrem Sohn Thomas vermacht, zu dessen Vormund Catherine ihren Bruder James Penventon bestimmt. Ihrer Schwester Mary räumt sie darin ein Wohnrecht für das Haus ein, solange sie unverheiratet bleibt.«
»Auf den ersten Blick?«
»Ja. Ich habe das Gefühl, dass mehr hinter der Sache steckt. Hast du sonst noch Dokumente aus der Zeit gefunden?«
»Nein, warum?«
»Vielleicht täusche ich mich, aber falls sie keine Witwe war und einen Cousin namens Penventon geheiratet hatte, ist etwas nicht so, wie es auf den ersten Blick erscheint.«
»Ein uneheliches Kind?«
»Mit letzter Sicherheit kann ich das nicht sagen, doch es ist interessant, dass dieses Testament nie geöffnet wurde.«
Hannah nickte.
»Hast du im Haus eine Familienbibel oder irgendwelche anderen Familiendokumente gesehen?«
»Ja, ich glaube schon.« Hannah erinnerte sich vage an etwas Großes, Dickes, Verstaubtes, wusste aber nicht mehr, wo es lag. »Was ist so schlimm an einem unehelichen Kind?«
»Was bringen sie dir in der Schule über Sozialgeschichte und Kultur bei?«, fragte er.
»Nicht viel, oder ich hab nicht aufgepasst, weil’s kein Prüfungsstoff war.« Hannah begann in der Küche auf und ab zu gehen.
OT schüttelte den Kopf. »Könntest du dir, wenn du diese Bibel findest, die erste und die letzte Seite anschauen?«
»Klar, warum?« Hannah setzte sich auf die Kante eines Stuhls.
»In der Familienbibel wurde oft der Stammbaum dokumentiert mit sämtlichen Geburten, Todesfällen, Hochzeiten und so weiter.«
»Ach. Glauben Sie denn, dass so eine alte Bibel im Haus sein könnte?«
»Wahrscheinlich nicht, aber in einer neueren ist möglicherweise verzeichnet, was über die Vergangenheit bekannt war.«
»Cool. Ich weiß, dass Maddie über die Familiengeschichte nachgeforscht hat, weil ihre Notizen auf dem Küchentisch lagen.«
»Wunderbar. Frag sie, was sie herausgefunden hat. Aber noch etwas ganz anderes: Hast du etwas von Will gehört?«
»Ja. Er hat mir eine Mail geschickt. In ein paar Wochen fährt er in Skiurlaub, der Mistkerl.«
»Warum ist er ein Mistkerl, wenn er Ski fahren geht?«, fragte OT.
»Weil er deswegen in den nächsten Ferien nicht da ist.« Hannah verdrehte die Augen.
»Ah, verstehe.« OT schlug das Testament vorsichtig in das rosafarbene Seidenpapier ein. »Hast du denn etwas Besonderes vor in den Ferien?«
»Nein.« Sie betrachtete ihre Fingernägel. »Ich glaube nicht. Allerdings hab ich seit letzter Woche kaum mit Maddie geredet.«
»Findest du das klug?«
»Nein, aber so fühle ich mich eben.«
»Hat sie versucht, mit dir zu sprechen?«
»Ja.« Hannah spielte, den Blick auf den Boden gesenkt, mit ihrer Halskette.
»Und du hast sie abblitzen lassen.«
»Ja. Sie ist eine blöde Kuh.« Hannah hob die Hand, als sie sah, dass OT sie wegen ihrer Ausdrucksweise rügen wollte. »Ich muss mit ihr zusammenleben, aber das ist auch schon alles.«
»Mehr möchtest du nicht?«
»Nein.« Sie spürte, wie ihre Augen feucht wurden. »Sie sorgt dafür, dass ich was zwischen die Zähne kriege. Obwohl ich sie mir nicht ausgesucht habe, muss ich noch ein paar Jahre bei ihr bleiben.«
»Und wie sieht sie das deiner Ansicht
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