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Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne

Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne

Titel: Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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finden und bei sich selbst zu sein.
    Träumerisch strich sie sich über den vorgewölbten Bauch. Mehr und mehr konnte sie das Kind spüren, wie es sich in ihr regte und wie es zappelte, trat, boxte und kitzelte. Manchmal, so wie jetzt, wenn niemand sonst zugegen war, hielt sie flüsternd Zwiesprache mit ihrem Ungeborenen. Erzählte ihm, mit wie viel Liebe es empfangen worden war und mit wie viel Sehnsucht es erwartet wurde. Erzählte ihm von seinemVater, der bald kommen würde, um sie abzuholen und in seine Heimat zu bringen, von der sie ihrem Kind weitergab, was sie davon wusste und wie sie sich ihre Zukunft dort ausmalte. Dann und wann verlangte es sie, auch von Sansibar zu erzählen, der üppig grünen, meerumspülten Insel. Von seinem Großvater, dem Sultan, und von seiner Großmutter, der Tscherkessin. Doch allein der Gedanke an Sansibar, an die Todesangst und an die Schrecken, die sie dort erlebt hatte, schnürte ihr die Kehle zu. Wenn es donnert, verdirbt das Ei , hieß es auf Sansibar, und ihr Kind sollte behütet und sicher in ihr heranreifen.
    »Irgendwann«, murmelte sie. »Irgendwann werd ich es dir erzählen.«
    Wenn die Erinnerung nicht mehr so wehtut.
    Sie dankte dem Schicksal, dass es sie hierhergebracht hatte, dankte im Stillen wieder und wieder all den guten Menschen, die das Ihre dazu beigetragen hatten. Khaduj. Mrs Seward und Zafira. Dr. Kirk. Captain Pasley, der in einer Mischung aus männlicher Scheu vor dem werdenden Leben in ihr und raubeiniger Herzlichkeit mit Argusaugen darüber gewacht hatte, dass sie sich an Bord auch wohlfühlte. Dem sie ihre Dienerin anvertraute, damit er sie unversehrt nach Sansibar zurückbringe.
    Und nun Teresa Macías, eine flüchtige Bekannte aus der Zeit, als das spanische Ehepaar im Sultanshaus von Sansibar noch wohlgelitten gewesen war. Bevor das Verbot des Sklavenhandels für Europäer sie hart getroffen und Geschäfte unter der Hand Bonaventura Macías um ein Haar ins Gefängnis gebracht hätten. Im letzten Augenblick mit ihrer Barschaft und ein paar Habseligkeiten von der Insel geflohen, waren sie hier in Aden gestrandet, um sich eine neue Existenz aufzubauen. An Land gespült wie Salima, in diesen Winkel der Welt, der nicht wirklich britisch war, aber auch nicht ganz arabisch, der ein bisschen Indien und Afrika in sich trug, der von allem etwas hatte und doch nichts Eigenes daraus machte. Aden warein Niemandsland. So wie Salima arabischen Ursprungs war, dem sie aus freiem Willen entsagt hatte, ohne einen neuen Boden zu haben, in dem sie wurzeln konnte. So wie sie nicht mehr Jungfrau war, aber noch nicht verheiratet, zwar empfangen hatte, aber noch nicht geboren, und Kleider trug, die geliehen und doch auf ihre Maße abgeändert waren.
    Sie setzte sich auf und ließ ihre Augen über die Schrunden des Kraters von Aden schweifen. Sie konnte Teresa Macías’ in schnellem Zungenschlag vorgebrachte Klagen verstehen, wie bedrückend ihr diese Felswand vorkam. Wie entsetzlich sie das Tor fand, durch das sich die Straße, die vom Hafen in die Stadt führte, zwischen aufragenden Steilhängen hindurchschob, einem aufgerissenen Schlund gleich .
    Wenn Salima Aden auch ganz anders empfand. Vom ersten Moment an, als die Highflyer in den Hafen eingelaufen war, in dem emsig Hotels und Gasthäuser für die Reisenden gebaut oder verschönert wurden, und ein Diener der Macías sie in einem Wagen erwartet hatte, um sie in das Haus ihrer Gastgeber zu bringen, hatte sie sich in Aden geborgen gefühlt. Die Kargheit, die wenig mehr hervorbrachte als vertrocknetes Gestrüpp, dürres Gras und verhungertes Gesträuch, bildete einen wohltuenden Gegensatz zur wuchernden Lebendigkeit Sansibars, der sie nicht mit schmerzlichen Erinnerungen quälte. Und der Kranz aus faltigem, narbigem, krustigem Stein, der die Stadt umschloss, ließ sie sich fühlen wie im Schoß einer Erdmutter, die sie bewachte und sicher barg.
    Tausend Meilen von Sansibar entfernt und an derselben Küste gelegen wie die Heimat ihres Vaters, der Oman, war Aden für Salima ein guter Ort, um sich auszuruhen. Ein Zwischenreich am Schnittpunkt ihres alten, vergangenen Lebens und des neuen Lebens, das jetzt vor ihr lag. Ein guter Ort, um auf die Geburt ihres Kindes zu warten.
    Und darauf, dass Heinrich kam.
35
    Salimas nahezu unstillbarer Hunger, sich im Freien aufzuhalten, unter einem speckig glänzenden Himmel, der in Aden so viel ferner schien als auf Sansibar; ihre Gier, mit ausgreifenden Schritten so weite Strecken wie

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