Sterne über Tauranga - Laureen, A: Sterne über Tauranga
Tasse und sah, wie eine kleine weiße Wolke darin aufwallte.
Viel Glück im Land der weißen Wolke! Plötzlich hatte Ricarda Manzonis Worte im Ohr, und gleich wurde ihr leichter zumute.
»Na, sehen Sie, jetzt lächeln Sie endlich«, stellte Mary fest, bevor sie es selbst bemerkte. »Da zeigt sich mal wieder, dass es nichts Heilsameres gibt als eine Tasse Tee.«
Eine Weile herrschte andächtiges Schweigen.
»Also, wie ich das sehe, brauchen Sie so schnell wie möglich einen Bescheid von der Einwanderungsbehörde oder zumindest eine Aufenthaltsgenehmigung«, sagte Mary schließlich. »Außerdem die Genehmigung des Bürgermeisters.«
Ricarda nickte niedergeschlagen. Sie glaubte nicht mehr daran, dass sie die jemals bekommen würde.
Mary jedoch lächelte siegesgewiss und griff nach ihrer Tasse. »Mit ein wenig Hilfe können Sie das schaffen, und zwar schneller, als Sie denken. Und dann zeigen Sie es diesem Doherty!«
Jack Manzoni saß an diesem Abend auf seiner Veranda und beobachtete den sich verdunkelnden Himmel. Es würde eine klare Nacht werden, eine Nacht, in der die Sterne wie Brillanten strahlen würden. Die ersten »Kinder des Lichts«, wie die Gestirne von den Maori genannt wurden, funkelten bereits. Die Sterne waren eng mit ihrem Schöpfungsmythos verbunden, der sich stark von dem der Christen unterschied.
Jack entdeckte das Kreuz des Südens, das Sternbild, das in diesen Breiten am stärksten leuchtete und bei den Eingeborenen Mā hutonga hieß. Es leitete die Seefahrer und inspirierte die Träumer.
Auch ich könnte einen Wegweiser gebrauchen, dachte Jack, seufzte und nahm einen Schluck aus seiner Feldflasche. Er trank nicht gewohnheitsmäßig, aber wenn er diese unbestimmte Sehnsucht spürte, die ihn vor das Haus trieb und zum Himmel blicken ließ, war ihm der Alkohol willkommen. Der Brandy kribbelte auf der Zunge und hüllte ihn in eine wohlige Wärme.
Ob ich mich über die Leere in meinem Leben hinwegtrösten will?, sinnierte Jack selbstkritisch. Obwohl er eigentlich andere Sorgen hatte, ging ihm die Begegnung mit der Ärztin nicht aus dem Kopf. Was kann ich tun, um Ricarda Bensdorf wiederzusehen? Ihr Blumen schicken? Oder geradeheraus zu ihrer Pension reiten?
Bei den Frauen, mit denen er sich nach Emilys Tod zusammengetan hatte, war es leichter gewesen. Jack Manzoni war ein angesehener Mann in Tauranga. Wenn er auf einer Tanzveranstaltung in der Stadt auftauchte, lagen ihm die meisten Damen zu Füßen. Ein Lächeln, eine Aufforderung zum Tanz, ein paar süße Worte, in das Ohr der Auserwählten geflüstert, hatten meist gereicht, um sie in sein Bett zu lotsen. Jede von ihnen hatte sich wahrscheinlich ausgerechnet, die Gattin eines reichen Schafzüchters zu werden, der ihr ein luxuriöses Leben bieten könnte.
Nachdem die erste Verliebtheit verflogen war, hatten sie jedoch schnell erkannt, dass sein Herz noch immer einer anderen gehörte und er zudem kein Mann war, der den Luxus liebte. Obwohl er reich war, wohnte er in einem Farmhaus, das trotz seiner Größe nicht wie der Landsitz eines Schafbarons anmutete. Die Inneneinrichtung war immer noch die, die seine Eltern einst aus Europa mitgebracht hatten. Jack hasste vollgestopfte Räume, er liebte die Weite, denn er war sie seit seiner Kindheit gewöhnt. Das widersprach der gängigen Mode, die einen Haufen Tand vorschrieb. Jack jedoch brauchte nur seine Bücher, seine Schafe - und eine Frau, deren Anblick allein ihn schon vergessen ließ, dass sein Haus überhaupt Wände besaß.
Jack seufzte. Das Leben der Nacht begann. Noch immer schaute er hinauf in das Firmament, während er fühlte, wie sich das Feuer des Alkohols in seinen Adern ausbreitete. Zu gern würde er wieder eine Frau an seiner Seite wissen, die er lieben und verehren konnte; eine Frau, die seine Seele zum Klingen brächte und vielleicht auch sein Klavier ...
Nun gut, sagte er sich und schickte einen Gedanken zu Moana, seiner Ratgeberin. Ich werde die wahine kennenlernen. Nicht heute, nicht morgen, aber demnächst.
Damit nahm er noch einen Schluck Brandy und gab sich dem Gefühl hin, zu den Sternen aufzusteigen und eins mit ihnen zu werden.
6
Eine Woche nachdem sie den Bürgermeister aufgesucht hatte, fand Ricarda beim Aufstehen einen Briefumschlag auf dem Fußboden. Molly hatte sie offenbar nicht wecken wollen und ihn unter der Tür hindurchgeschoben. Die Adresse stand mit Schreibmaschinenschrift auf dem Kuvert, und als Absender prangte ein Stempel von der
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