Sterne über Tauranga - Laureen, A: Sterne über Tauranga
wunderschöne Glasplatte, deren farbiges Dekor mit den Kissen und den Blüten der Pflanzen harmonierte. Mary griff nach einem silbernen Glöckchen und läutete.
Wenig später erschien der Butler. »Sie wünschen, Madam?«
»Bringen Sie uns bitte Tee und etwas von Marthas Gebäck.«
»Sehr wohl.« Wieder verbeugte er sich und zog von dannen.
Mary wartete noch, bis er außer Hörweite war, dann fragte sie: »Nun, was führt Sie zu mir, Doktor Bensdorf? Darf ich hoffen, dass Sie es sich mit meinem Angebot überlegt haben?«
»Doktor Doherty hat mich aufgesucht«, erklärte Ricarda, ohne auf die eigentliche Frage einzugehen. Zuerst sollte die Engländerin wissen, was der Grund für ihre Entscheidung war. »Stellen Sie sich vor, er hat mir Hausverbot für das Hospital erteilt.«
Eine dünne Falte erschien zwischen Marys Augenbrauen. Ihre Augen verengten sich. »Mit welcher Begründung hat er das getan?«
»Er sagte, dass ich mich in seine Arbeit einmische und er das nicht dulden könne«, antwortete Ricarda und schilderte die Unterhaltung mit ihrem Widersacher in allen Einzelheiten.
Mary Cantrell senkte den Blick und schob die Unterlippe nachdenklich vor. Dann fragte sie: »Was hätten Sie getan, wenn ein fremder Arzt in Ihrer Praxis erschienen wäre, um einen Patienten zu behandeln?«
Ricarda glaubte nicht richtig zu hören. Hatte Mrs Cantrell es sich jetzt anders überlegt, was die Unterstützung anging?
»Ich hätte ihn gewähren lassen«, entgegnete Ricarda, und das war keineswegs eine leere Phrase. Sie war schon immer der Meinung gewesen, dass Kollegen einander nicht wie Konkurrenten behandeln sollten. Aber offenbar stand sie mit dieser Ansicht allein da. Dennoch setzte sie hinzu: »Wenn er keine Möglichkeit hätte, seinen Patienten bei sich zu behandeln, würde ich ihm meine Praxis zur Verfügung stellen.«
Die Engländerin nickte. »Eine weise Antwort. Merken Sie sich die, falls es mal zur Konfrontation zwischen Ihnen beiden kommt. Damit meine ich kein Gespräch mit Doherty, sondern eine Gerichtsverhandlung.«
»Gerichtsverhandlung?« Ricarda schoss in die Höhe, als hätte sich eine Rute aus dem Geflecht des Stuhls gelöst und sie in den Allerwertesten gestochen.
»Bleiben Sie ruhig, und setzen Sie sich, Ricarda!«, sagte Mary beschwichtigend. »Ich darf Sie doch so nennen, oder?«
Ricarda nickte und ließ sich wieder in das Polster fallen.
»Ich kenne Doktor Doherty schon lange«, erklärte Mary. »Bislang musste ich seine medizinischen Künste zwar noch nicht in Anspruch nehmen, aber ich brauche einen Menschen nur anzusehen, um zu wissen, was in seinem Kopf vorgeht.«
»Ich wünschte, diese Gabe hätte ich gehabt, bevor ich mit der Frau ins Hospital gefahren bin.«
»Nein, dazu hätten Sie hellsehen müssen«, gab Mary zurück. »Aber das kann bekanntlich niemand. Sie waren neu in der Stadt und konnten ja nicht ahnen, dass Doherty seine Futtergründe mit gefletschten Zähnen verteidigt.«
»Aber ein Arzt ist für eine Stadt wie diese zu wenig!«, erklärte Ricarda. »Oder wäre es etwas anderes, wenn ich ein Mann wäre?«
»Nicht im Großen und Ganzen, aber im Detail.« Mary hielt inne, denn der Butler trat ein.
Während Ricarda beobachtete, wie formvollendet Martin den Tee servierte, kam ihr in den Sinn, dass ihre Mutter von solch einem Bediensteten begeistert wäre.
Nachdem er wieder gegangen war, fuhr die Engländerin fort. »Wären Sie ein Mann, hätte er es zwar missbilligt, dass Sie in seinem Hühnerstall gewildert haben, hätte aber keine weiteren Schritte unternommen; denn er hätte damit rechnen müssen, dass Sie ihm eine Waffe unter die Nase halten oder ihm eine gehörige Abreibung verpassen. Bei einer vermeintlich schwachen Frau glaubt Doherty dagegen, dass er nichts zu befürchten hat.«
Ricarda nickte. »Das habe ich gemerkt. Er war sogar so dreist, von Schadensersatz zu sprechen. Und das, obwohl Mr Borden ihn bezahlt hat und nicht mich.«
Mary schüttelte empört den Kopf. Aber dann lächelte sie, griff nach dem Milchkännchen und sagte beschwichtigend: »Probieren Sie diesen Tee, Ricarda, es ist einer der besten Earl Grey, die ich kenne. Er wird Ihren Nerven guttun.«
Ricarda war in diesem Augenblick sicher, dass nur eines ihren Nerven guttun würde: es Doherty irgendwie heimzuzahlen. Aber sie griff gehorsam nach der Teetasse.
»Versuchen Sie ihn mit etwas Milch, dadurch wird er noch milder«, riet Mary, während sie ihren Tee umrührte.
Ricarda goss etwas Milch in ihre
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