Sternen Stroemers Lied - Unter dem Weltenbaum 02
von Musik. Der Sternentanz, der lauteste und auch derjenige, dem zu lauschen man den Zauberern beibringt, auf daß sie aus ihm ihre Stärke beziehen. Doch darin verborgen ist auch ein subtiler Strang von Mißklängen und Disharmonie, der Tanz, der die Sterne an ihr Ende führt … mit anderen Worten, der Tanz des Todes. Seit vielen Generationen befürchten die Zauberer, daß einer aus ihren Reihen lernen könnte, sich dieser Musik zu bedienen. Und ich fürchte, dazu ist es nun gekommen.«
»Aber wer hat Gorgrael gelehrt –« fragte Freierfall mit verwirrt gerunzelter Stirn.
Sternenströmer ließ ihn nicht ausreden, weil er nicht wollte, daß der Prinz die Frage stellte, vor der er sich am meisten fürchtete. »Der Zerstörer braucht mich nun sicher, damit ich ihm beibringe, wie man auch den Sternentanz nutzen kann, die Musik des Lebens und der Harmonie. Wenn Gorgrael erst Harmonie und Disharmonie beherrscht, kann ihn niemand mehr aufhalten. Nicht einmal der Sternenmann. Und sobald er diese Welt erobert hätte, würde er danach trachten, sich ins Universum auszudehnen. Der Zerstörer könnte durch das Sternentor gehen.«
Diese Worte erschreckten seine Zuhörer so sehr, daß für kurze Zeit niemand etwas zu sagen wußte. Der Sternenströmer sah seine Gefährten der Reihe nach an. Das Schlimmste hatte er ihnen noch gar nicht mitgeteilt. Gorgrael konnte sich die Beherrschung der Disharmonien unmöglich selbst beigebracht haben. Also hatte ihm jemand Unterricht erteilt. Aber wer? Der Zauberer wollte lange und gründlich über diese Frage nachdenken. Und natürlich mußte er sich mit seinem anderen Sohn unterhalten, um zu erfahren, über welche Fähigkeiten Axis verfügte.
Rabenhorst rutschte nervös auf seinem Platz hin und her, warf Weitsicht einen Blick zu und wandte sich dann wieder an seinen Bruder: »Ihr sollt ab sofort eine Leibwache erhalten, die mindestens so groß ist wie die meine oder die Freierfalls. Eure Sicherheit muß nun oberstes Gebot sein.«
»Und was ist mit Axis?« fragte der Prinz.
»Natürlich müssen wir ihm helfen«, erklärte Sternenströmer ruhig. »Der Weg nach Süden über Awarinheim ist dem Zerstörer versperrt, solange der Erdbaum singt. Das Lied hat einen so mächtigen Zauber über den Nordwald gelegt, daß nicht einmal Gorgrael ihn brechen kann. Wenn er also immer noch nach Süden vorstoßen will, muß er über den Gorkenpaß. Und die dortige Festung bezwingen.«
»Wie könnt Ihr nur daran denken, daß wir den Ebenenbewohnern helfen?« rief Weitsicht entgeistert. Wie so viele Ikarier konnten auch die Achariten nicht vergessen, daß sie es gewesen waren, die unter der Führung des Seneschalls die Vogelmenschen und die Waldläufer vertrieben hatten.
»Weil uns keine andere Wahl bleibt, Prinz«, entgegnete Sternenströmer immer noch ruhig. »Erinnert Euch an die Prophezeiung. Alle Völker müssen zusammenstehen, um den Zerstörer zu besiegen. Und ich muß wohl nicht besonders betonen, daß Axis kaum als normaler Ebenenbewohner bezeichnet werden kann.«
»Wenn er schon so viel ikarisches Blut in sich hat, kann er doch sicher auch allein die nötigen Zauber singen«, erwiderte Weitsicht, dem die ganze Richtung nicht paßte, in die sich das Gespräch entwickelte.
Rabenhorst war der Debatte bislang schweigend gefolgt. Auch er hatte seine Bedenken, den Menschen in Gorken zu Hilfe zu eilen.
»Sternenströmer«, begann er vorsichtig. »Ich weiß, Ihr wollt uns dazu bewegen, Eurem Sohn beizustehen. Aber den Achariten Waffenhilfe zu leisten, dürfte wohl keinem von uns leichtfallen. Eine solche Entscheidung will wohlüberlegt sein.« Er sah sich in der Runde um, und sein Blick fiel auf die beiden Kontrahenten seines Bruders. »Wir werden also im Großen Saal des Krallenturms eine Ratssitzung abhalten, auf der diese Angelegenheit ausführlich besprochen wird.«
In den meisten Belangen galt das Wort des Krallenfürsten als Gesetz, aber bei größeren Entscheidungen mußte er den Beschluß einer Ratsversammlung abwarten, an der jeder Ikarier teilnehmen durfte, der das fünfundzwanzigste Lebensjahr vollendet hatte. Solche Beratungen verliefen meist langwierig und lautstark, aber Rabenhorst konnte in dieser Frage nicht anders handeln. Wenn er eigenmächtig die Luftarmada nach Gorken schickte, ohne eine Ratssitzung abgehalten zu haben, würden die Gemüter der Ikarier sich über die Maßen erhitzen.
»Bei den Sternen, Bruder! Wenn die Skrälinge Gorken mit ebensolcher Macht angegriffen haben
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