Sternen Stroemers Lied - Unter dem Weltenbaum 02
eilen.«
Der Ikarier sah ihn jetzt eindringlich an und legte ihm eine Hand auf die Schulter: »Axis, Ihr müßt zu Eurem Vater, um Eure ganze Macht entwickeln zu können.«
»Ich weiß, das ist mir längst klar geworden«, entgegnete der Krieger. »Aber sagt mir bitte, Vetter, wer bin ich eigentlich?«
Der Ikarier sah ihn verwundert an und zog ihm dann aus einem Impuls heraus den Handschuh von der Rechten. Dann hob er seine Hand, damit alle das Funkeln des Goldes und der Edelsteine auf dem Ring des Zauberers erkennen konnten. »Ich glaube, Ihr wißt bereits sehr gut, wer Ihr seid, Axtherr, tragt Ihr doch bereits diesen Reif. Aber nur Sternenströmer kann Euch stark genug machen, um den Zerstörer zu besiegen. Erkennet, wer Ihr seid, Axis, sonst sind wir alle zum Untergang verurteilt.«
Der Krieger sah seinen Vetter ebenso ernst an und nickte: »Ich bin Axis Sonnenflieger, der Sohn von Sternenströmer Sonnenflieger, und wenn aus mir ein ikarischer Zauberer werden soll, der die Völker von Tencendor zum Sieg gegen Gorgrael führt, brauche ich die Unterweisung meines Vaters.«
»Ja!« begeisterte sich Freierfall. »Willkommen daheim, Axis!«
Und der Krieger hatte jetzt tatsächlich das Gefühl, endlich zu Hause zu sein. Er besaß nun eine Familie und auch das Wissen, um das Lügengespinst zerreißen zu können, das der Seneschall um ihn gewoben hatte.
»Was geht denn hier vor?« brüllte eine wütende Stimme unten aus dem Turm. »Habe ich Euch endlich bei Euren Verrätereien erwischt, Axtherr?«
Beim Klang von Bornhelds Stimme riß Axis seine Hand aus der des Ikariers und zog sein Schwert. Belial ließ seine Waffe stecken, und Magariz, der noch immer nicht glauben konnte, was er eben alles gehört hatte, trat vorsichtshalber einen Schritt zurück. Der Herzog stürmte schon die Treppe herauf, gefolgt von Jorge, Roland, Gautier und einer Schar schwerbewaffneter Soldaten. Faraday und Timozel eilten der Truppe hinterher.
Bornheld war, wie es seine Gewohnheit war, schon früh am Morgen mit Waffenübungen beschäftigt, als ihm plötzlich die merkwürdige Versammlung auf dem Turmdach aufgefallen war. Mit gezückter Klinge trat er nun auf seinen Stiefbruder und die sonderbaren Vogelmenschen zu. Gautier war wie stets an seiner Seite. Timozel legte Faraday einen Arm um die Hüfte und hielt sie zurück. Aber er bedachte die Gruppe mit einem kalten Blick.
Die Ikarier breiteten die Flügel aus, um sofort die Flucht ergreifen zu können. Sie hatten die Festung drei Tage lang beobachtet und einen passenden Moment abgewartet, um den Axtherrn mehr oder weniger allein anzutreffen. Bornheld wollten sie dabei lieber nicht begegnen, wußten sie doch von den Berichten der Aufklärer, daß mit diesem Mann nicht zu spaßen war. Sie erkannten jetzt, daß einige der Soldaten mit Bogen bewaffnet waren und bereits einen Pfeil angelegt hatten. Die Situation wurde immer brenzliger.
Doch unerwartet trat nun Magariz vor und erklärte: »Euer Durchlaucht, dies sind Abgesandte der Ikarier, die uns ihre Hilfe gegen die Skrälinge anbieten.« Er hielt es für klüger, gewisse Dinge vorerst zu verschweigen – wie den Umstand, daß einer der Vogelmenschen Axis’ Vetter war, oder daß es eines dieser Wesen gewesen war, das Bornhelds Mutter geschwängert hatte.
Der Herzog lachte freudlos. »Dann hätten wir also Unaussprechliche vor uns, was? Vor solchen Wesen sollen wir uns so viele Jahre lang gefürchtet haben? Haben unsere Bauern sich vor solchen Kreaturen unter ihre Betten verkrochen? Mir kommen sie eher hübsch als gefährlich vor. Am liebsten würde ich sie in einen großen Vogelkäfig sperren. Und wenn ich alt bin und genug habe von Schlachten und Frauen sollen sie mich mit ihrem Gesang erfreuen. Nein, was für hübsche Burschen.«
Suchauge fuhr empört auf. Niemals war er so beleidigt worden. Wie konnte jemand, der sich für zivilisiert hielt, sie nur so unwürdig behandeln?
»Wir benötigen alle Hilfe, die wir bekommen können, Bornheld«, entgegnete Axis gepreßt und konnte sich kaum noch beherrschen. Seine Hand schloß sich fester um den Griff seines Schwerts. Eine Bewegung, die Freierfall nicht entging. »Gorken wird fallen, wenn wir keine Unterstützung von außen bekommen. Deshalb brauchen wir die Ikarier!«
Der Oberste Kriegsherr starrte seinen Bruder mit funkelnden Augen an und schien ebenfalls kaum noch an sich halten zu können. »Ich werde Gorken retten!« platzte es dann aus ihm heraus. »Dazu brauche ich keine Hilfe!
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