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Sternendieb - Roman

Titel: Sternendieb - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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Rumpeln eines defekten Bergen-Kobold-Achsenstabilisierungskristalls.
    Sie würde Marco zur Rede stellen. Sie fand ihn auf seiner Pritsche, er las in einem Comic. »Wie der Herr, so’s Gescherr«, beendete sie ihre Tirade.
    Mit Vehemenz schwang Marco die Füße von der Pritsche und schleuderte das Heft beiseite. Es trudelte langsam zu Boden.
    »Gescherr? Für was hältst du ihn, für ein dressiertes Kaninchen? Hast du denn gar nichts begriffen? Er ist ein Alien, Herrgott, ein intelligentes Wesen, man muss Geduld mit ihm haben, muss ihn zu verstehen suchen. Was soll das überhaupt heißen? Hab ich dir je was gestohlen? Nenn mir eine Sache. Nenn mir nur eine Sache, die ich dir gestohlen hab.«
    »Nenn mir eine Sache, die du nicht gestohlen hast!«

    Das Schlimmste war, dass die Wand zwischen ihren Kabinen so dünn war, dass sie ständig an seine Anwesenheit erinnert wurde.
    Als sie durch den Frachtraum zurückging, war die Atmosphäre elektrisch aufgeladen. Sarah saß auf einem Schrankkoffer, die Arme um die Knie geschlungen, und starrte unglücklich auf ihren Bruder, der in der gemeinsamen Hängematte lag und seine Schwester demonstrativ ignorierte. Das Wandgemälde war ruiniert. Jemand hatte es über und über mit zermatschter Bühnenschminke verschmiert.
    Talo hing kopfüber von der Reling des Laufstegs und sang noch immer: »Nobody knows the trouble I’ve seeeeeeeee …«

34
    Nachdem Tabea getan hatte, was in ihrer Macht stand, um das Schiff wieder in Schuss zu bringen, hegte sie immer öfter den Wunsch, ganz für sich allein zu sein, und hing stundenlang draußen am Schiff an ihrer Nabelschnur und kommunizierte mit ihrem Logbuch. Einmal aus der Reserve gelockt, redete sie auf dieser Fahrt mehr denn je mit der Alice , aber kaum über technische oder navigatorische Probleme. Auf dieser Reise durch die Gefilde des Virtuellen zog sie einen imaginären Gesprächspartner vor. Wenn der Mensch physisch, seelisch oder sonstwie überlastet ist, erweist sich ein Artefakt nicht selten als der treueste Kamerad.
    Sie zog einen Raumanzug an und öffnete das Innenschott des vorderen Steuerbordausstiegs. Die Luftschleuse lag voller Lebensmittelverpackungen und Papageienexkremente. Das ganze Schiff war eine einzige Rumpelkammer. Nun, das war an sich nichts Ungewöhnliches - nur dass es sich ansonsten um Tabeas eigene Unordnung handelte. Es war ihr eigener Unrat, der herumschlingerte,
wo immer sie ihn hinterließ, also etwas Legitimes, sozusagen ein fester Bestandteil ihrer Umwelt, beinahe unsichtbar. Doch das hier stammte von anderen Leuten, fiel auf und störte.
    Tabea öffnete das Außenschott, und der ganze Kehricht stob in einer Wolke davon. Der Abfall würde dem Schiff noch eine Zeit lang treu bleiben, ehe die unwiderstehliche Realität ihn heimsuchte. Sie schloss sich an die Nabelschnur an und hüpfte nach draußen.
    Sie manövrierte sich langsam zum Bug der Alice Liddell , wo sie mitten im Nichts sitzen und das Cockpit im Auge behalten konnte. Sollte Talo sich da hineinwagen, würde sie das Biest in einen Käfig sperren, und die friedliche Koexistenz der Rassen konnte ihr gestohlen bleiben.
    Man kann nicht sagen, der Außenaufenthalt im Hyperraum sei angenehmer oder unangenehmer als im Normalraum. Falls man dafür anfällig ist, kann man auch hier vom Schwindel erfasst werden. Das liegt an der Pseudogravitation. Wo immer man sich postiert, nach einer Weile landet man unter dem Schiff, angezogen von dieser uferlosen, plattgewalzten Wolke, die gleichsam den Bodensatz des Hyperraums bildet. Damit es nicht langweilig wird, kommt es von Zeit zu Zeit zu wirklich haarsträubenden Phänomenen. In der sonst öden Diskrepanz, die einen umgibt, treten dann die seltsamsten Asymmetrien und Risse auf. Obwohl es so etwas wie Perspektive hier nicht gibt; jenes schreckliche Gefühl von Verlorenheit angesichts der schieren Weite des Normalraums stellt sich hier nicht ein. Hier gibt es keine bodenlosen Abgründe, die einen aufsaugen, keine unnahbaren Sterne, die einen verspotten.
    Tabea entdeckte Xtaska. Der Cherub lag weit hinten, gut fünf Meter vom Heck entfernt, und sonnte sich in der Sägezahnstrahlung der verletzten Relativität von Raum und Zeit; und Tabea fragte sich erneut, wie die Realität es fertig brachte, einen Cherub
von einer zerdrückten Milchtube zu unterscheiden. Seit sie sich zum ersten Mal hier draußen begegnet waren, hatten sie es vorgezogen, einander zu ignorieren, wie Nachbarn, die froh waren, ihren Balkon für sich

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