Sternenfall: Roman (German Edition)
eine Wette?«
»Jedes Crewmitglied versucht zu schätzen, wie viele Kinder während jedes Flugs zur Welt kommen. Falls Sie Interesse haben, die Statistiken unserer früheren Flüge hängen in der Messe.«
»Ich nehme an, es sind eine ganze Menge.«
»Mehr, als man erwartet und wofür man Vorkehrungen getroffen hatte«, bestätigte der Kapitän. »Ich weiß nicht, was die Frauen bei einer Raumreise Wehen bekommen lässt. Aber bei 300.000 Passagieren kann man sich auf zwei Dinge verlassen: ein paar der Alten werden sterben, und eine erkleckliche Anzahl von Babys wird sich gerade diesen Zeitpunkt aussuchen, um geboren zu werden. Bei der Landung haben wir immer mehr Passagiere an Bord als beim Start.«
Das Schiff startete von der Erde, zwei Stunden nachdem Thorpe an Bord gekommen war. Weil es keine eigenen Triebwerke besaß, wurde es von einem Raumschlepper auf Fluchtgeschwindigkeit beschleunigt. Drei Tage später trafen sie sich hinter dem Mond mit einem gleichartigen Schlepper. Er dockte an und verlangsamte ihre Fahrt, bis sich die Preserver in einem hohen Parkorbit befand. Wie ein Crewmitglied bemerkte, waren die Schlepper Teilnehmer eines Distanzspiels, bei dem die Evakuierungsschiffe die Rolle von Gummibällen spielten.
Der Schlepper löste sich erst von der verstärkten Druckhülle der Preserver , als sie die ersten Boden-Orbit-Fähren umschwärmten. Ein Dutzend von ihnen machten gleichzeitig an den Mehrfachschleusen des Schiffes fest. Unverzüglich begannen sie damit, ihre menschliche Fracht in den umgebauten Schüttgutträger zu ergießen.
»Nun, Mr. Thorpe«, sagte Kapitän García-Gomez, als er vor einer der Schleusen Thorpes Hand schüttelte, »ich glaube immer noch, dass Sie verrückt sind. Sollte ich jedenfalls zufällig im Orbit sein, wenn Sie sich entschließen, zurückzufliegen, dann achten Sie darauf, dass Sie an Bord eines Shuttles der Preserver gehen. Ich werde einen Platz für Sie finden, und wenn ich meine eigene Kabine mit Ihnen teilen müsste.«
»Danke, Captain. Ich weiß Ihr Angebot zu schätzen. Wer weiß, vielleicht komme ich noch darauf zurück!«
Damit hob Thorpe seine Reisetasche und seinen Raumanzug auf. Als er sich umwandte und sich in Richtung der Schleuse abstieß, durch die sich eine Menschenmenge in das Schiff ergoss, kam er sich vor wie ein Lachs, der flussaufwärts schwamm, um zu laichen.
Luna City Spaceport war im Wesentlichen so, wie er ihn in Erinnerung hatte. Der große Massebeschleuniger erstreckte sich immer noch pfeilgerade über die Mondebene, und die unterirdischen Abfertigungshallen waren immer noch wie die Speichen eines Rades um die Oberflächenkuppel der Haupthalle herum angeordnet. Was anders war, das war die Anzahl der Menschen, die sich im Bereich des Raumhafens drängten.
Wo er auch hinsah, warteten Evakuierwillige darauf, dass sie an die Reihe kamen, an Bord zu gehen. Zum ersten Mal begann Thorpe die Logistik zu verstehen, die nötig war, um zehn Millionen Menschen von einem Planeten fortzubringen. Schreiende Babys, Kinder, die sich verlaufen hatten, und grimmig dreinschauende Eltern erwiderten seinen Blick, als er sich mit den Ellbogen einen Weg zu den unteren Ebenen und den Beförderungsmitteln bahnte.
Die U-Bahnwagen waren in seiner Richtung fast leer. Da er zwölf Stunden totzuschlagen hatte, bis ihn der gecharterte MoonJumper nach Hadley’s Crossroads bringen würde, hatte er ein Zimmer im gleichen Hotel wie bei seinem vorigen Aufenthalt gemietet. Erst als er den Großen Verteiler erreicht hatte, wurde ihm klar, wie weit die Evakuierung bereits fortgeschritten war. Was einmal das betriebsame geschäftliche und kulturelle Zentrum Luna Citys gewesen war, lag nun beinahe verlassen da. Elegante Geschäfte hatten geschlossen, die Schaufenster noch voller Ware. Die wenigen Cafés, die noch geöffnet hatten, waren Treffpunkte der Alten. Er konnte ihre Augen auf sich gerichtet fühlen, als er die Rampe zu seinem Hotel hinunterging. Beim Einchecken erkundigte er sich beim Empfangschef nach ihnen.
»Sie gehen nicht weg.«
»Sie meinen, sie werden nicht evakuiert?«
»Nö.«
»Warum nicht?«
Der Mann zuckte mit den Achseln. »Aus verschiedenen Gründen, nehme ich an. Manche weigern sich einfach zu gehen. Andere sind zu alt. Sie verkraften die Erdschwerkraft nicht mehr.«
»Das müssen sie doch auch nicht«, erwiderte Thorpe. »Jeder, der mit der Erdschwerkraft nicht zurechtkommt, wird so lange auf den Raumstationen untergebracht, bis andere Regelungen
Weitere Kostenlose Bücher