Sternenfaust - 053 - Die Morax
Gardikov warf Frost einen flüchtigen Blick zu, dann wandte sie sich erneut an Merlik. »Ich kann Ihnen keine exakte Prognose erstellen, doch ich fürchte, Sie werden den Rest Ihres Lebens unter den Strahlenschäden zu leiden haben. Einige Tage früher … ja, da wären die Heilchancen noch vorhanden gewesen.«
Merlik Talas biss sich auf die Unterlippe. Dann nahm er seine Kraft zusammen. »Der Rest unseres Lebens. Zumindest den haben wir noch. Die anderen J’ebeem auf Otano hatten nicht so viel Glück.« Die Bitterkeit sprach aus jedem seiner Worte. »Captain Frost, wer sind diese Mörder, die so schmutzig und erbarmungslos einen ganzen Planeten entvölkern?«
Dana zog die Augenbrauen in die Höhe. »Das wollte ich eigentlich von Ihnen erfahren. Wir haben gehofft, eine gute Beschreibung von Ihnen und Ihrer Begleiterin zu bekommen. Hinweise, Aussehen, Raumschiffe – eben alles, was Sie wissen.«
Merlik schüttelte den Kopf. Eine Bewegung, die er rasch bereute, denn die Schmerzen jagten durch sein Gehirn, das nur noch aus Pein zu bestehen schien. »Ich will Ihnen gerne alles berichten was ich weiß. Viel helfen wird es Ihnen allerdings nicht.«
Talas Bericht enthielt keine Informationen, wie Dana sie sich gewünscht hätte. Bemüht hörte sie den Worten des J’ebeem zu, der sich bei jedem Satz quälen musste; die Strahlung hatte auch vor seinen Stimmbändern nicht haltgemacht.
Irgendwann kam er zum Ende der Schilderung dessen, was er und Sifana in den vergangenen Wochen mitgemacht hatten. Tod, Vernichtung – Hilflosigkeit. Wie Kinder, die sich in einem finsteren Wald verirrt hatten, waren sie durch die Ruinen gelaufen. Schließlich war ihnen bewusst geworden, dass sie die helfenden Chemikalien nicht finden würden. Nicht in diesem Schlachtfeld, nicht in dieser Trümmerwelt.
»Ich weiß noch, wie ich immer wieder an dem Sender die Einstellungen verändert habe. Ich bin kein Techniker … aber irgendwann kam dann eine Stimme aus den Membranen. Danach fehlt mir jede Erinnerung.«
Dana Frost konnte ihre Enttäuschung nur schwer verbergen. Sehr viel mehr als zuvor wusste sie nun auch nicht, doch aus den Schilderungen des J’ebeem ging die Brutalität der Vorgehensweise der Aggressoren klar und deutlich hervor.
»Offenbar wurde die Raumabwehr von Otano von den Angriffen vollkommen überrascht. Oder haben Sie eine andere Erklärung für die fehlende Gegenwehr, Merlik?«
Der J’ebeem hatte erschöpft die Augen geschlossen. Das Sprechen hatte ihm schwer zugesetzt. Da war nur noch der Wunsch nach Schlaf in ihm. Doch diese Frage, die seit vielen Tagen auch in ihm bohrte, wollte er noch beantworten. Danach, so hoffte er, würden die Medikamente, die ihm ständig zugeführt wurden, ihm einige Stunden schmerzfreier Ruhe gönnen. »Nein, ich habe dafür auch keine Erklärung. Auch wenn Otano weitab vom Schuss liegt, wie man wohl sagen kann, auch wenn diese Welt in Sachen Krieg vollkommen unbeleckt war … so hätte man doch die Annäherung der angreifenden Flotte bemerken müssen, oder? Wie viele Schiffe waren es?«
»Sechs Mutterschiffe«, antwortete Dana. »Jedes von ihnen mit einem Durchmesser von 2000 Metern. Wir konnten das an den Signaturen ziemlich exakt erkennen. Wie konnten solche Kolosse unbemerkt über Otano erscheinen?«
Sie wartete vergeblich auf eine Antwort. Merlik Talas war eingeschlafen.
Gemeinsam mit Doktor Gardikov verließ der Captain der STERNENFAUST II die Krankenstation. Eine Weile gingen die doch recht unterschiedlichen Frauen schweigend nebeneinander her.
Dann räusperte der Doktor sich unüberhörbar. »Unsere beiden Überlebenden werden sich an diesem Status nicht sehr lange erfreuen können, befürchte ich.«
Dana Frost warf Simone Gardikov einen raschen Seitenblick zu. »Wie genau habe ich das zu verstehen, Doktor?«
»So wie ich es gesagt habe, Captain. Ich bin zwar nicht auf dem letzten Wissensstand, was die Medizin bei den J’ebeem angeht, doch ich denke, auch die kochen nur mit Wasser. Besser gesagt – ab einem bestimmten Stadium der Verstrahlung wirken auch die besten Medikamente nicht mehr.«
»Wie lange?«
»Mit dem was unsere Medizin zu bieten hat … vielleicht ein Jahr. Danach käme der spontane Zerfall, den man medikamentös nicht ewig aufschieben kann. Und … dieses Jahr wird für beide äußerst schmerzvoll sein. Ein rascher Tod wäre wesentlich humaner gewesen. Werden Sie es Siron Talas sagen? Immerhin ist Merlik sein Cousin …«
Eine Meldung aus der Zentrale
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