Sternenfaust - 065 - Aufbruch ins Unbekannte (1 of 2)
wagen, seinen Glauben in Zweifel zu ziehen! Wie konnte er es wagen !
»In einem gravierenden Punkt irrt er sich.«
Sun-Tarin fuhr zusammen und machte unwillkürlich einen erschrockenen Satz zur Seite, als die zischelnde Stimme ihn von hinten in akzentuiertem, aber verständlichen Kridanisch ansprach. Einer der Shisheni war lautlos ein paar Schritte entfernt aufgetaucht. Sun-Tarin wusste nicht, wie lange er schon da gewesen und wie viel er von seinem Streit mit Mirrin-Tal mitbekommen hatte. Offensichtlich mehr als ihm heb war. Woher der Sauroide Kridanisch konnte, interessierte ihn im Moment weniger.
Er musste sich jedenfalls beherrschen, um nicht reflexartig in Angriffsposition zu gehen. Auf Kridania gab es eine Tierart, die den Shisheni verdammt ähnlich sah. Sie war groß, gefährlich und schon seit Jahrtausenden ein Fressfeind der Kridan. Sun-Tarin empfand in Gegenwart jedes Shisheni eine instinktive Angst, die er jetzt gewaltsam unterdrückte.
»Sie sind …?«, fragte er vorsichtig, denn er konnte die Sauroiden nicht auseinanderhalten. Dieser hier trug allerdings im Gegensatz zu seinen Kameraden Kleidung, einen dunkelgrünen Umhang, um genau zu sein.
»Ich bin Hashushai, Skanshi’in -Priesterin. Das bedeutet, dass ich nicht nur einer Gottheit diene, sondern allen elf Gottheiten gleichermaßen.«
»Es gibt nur einen einzigen wahren Gott«, widersprach Sun-Tarin reflexartig.
»Das kommt darauf an, wie Sie den Begriff ›wahr‹ definieren. Und natürlich auch, wie Sie ›Gott‹ definieren.«
»Ich gedenke nicht, mit Ihnen über meinen Glauben zu diskutieren«, sagte Sun-Tarin schroffer, als er es beabsichtigt hatte.
Es war schon schlimm genug, dass Mirrin-Tal seine Überzeugungen in Frage stellte. Er hatte keine Lust, sich von einer Shisheni Ähnliches anzuhören. Dazu war ihm noch viel zu gut eine Diskussion mit Botschafterin Kimusha’a in unangenehmer Erinnerung, die er mit ihr während ihrer Reise zur Erde auf der STERNENFAUST geführt hatte. Diese Sauroiden hatten auf alles eine Antwort und drehten die Dinge so herum, dass es schwierig war, sie zu widerlegen.
»Ich hatte auch nicht die Absicht, das zu tun«, antwortete Hashushai ruhig und schien nicht im Mindesten beleidigt zu sein. »Ich wollte Ihnen nur sagen, dass Captain Mirrin-Tal sich insofern irrt, als dass es keinen einzig wahren Glauben gibt, nur viele verschiedene, aber absolut gleichwertige Wege, die zur Wahrheit führen.«
»Ich glaube nicht, dass Ihre Wahrheit auch die meine ist«, wehrte Sun-Tarin immer noch schroff ab.
»Wahrheit ist nicht teilbar, Sun-Tarin. Entweder etwas ist wahr – oder es ist falsch. Und wahr ist, dass Gott das Schöpfungswesen all dessen ist, was existiert. Wahr ist auch, dass es nur diese eine Schöpfungskraft gibt, und zwar egal ob wir sie uns als ein einzelnes Wesen vorstellen oder als ein Pantheon aus elf oder noch mehr Wesen. Wahr ist auch, dass jeder Glaube, der das Leben schätzt und achtet – und zwar alles Leben –, damit den Plan des Schöpfungswesens erfüllt.«
»Und woher maßen Sie sich an zu wissen, was das Schöpfungswesen – Gott! – will?«
»Das ist nur eine Frage einfachster Logik. Es liegt in der Natur aller intelligenter Wesen, ihre Kinder zu schützen. Dieser Instinkt kann zwar durch Krankheiten oder Genomdefekte in Ausnahmefällen deaktiviert werden. Aber bei gesunden Wesen ist er immer intakt. Kein Wesen will, dass die Geschöpfe, denen es Leben gegeben hat, vernichtet werden oder sich gar gegenseitig vernichten. Das widerspricht der Natur, die Gott selbst so erschaffen hat. Und da wir alle Geschöpfe Gottes sind – egal zu welchem Volk wir gehören – macht uns das zu Geschwistern. Und Geschwister sollten sich nicht bekämpfen und erst recht nicht töten.«
»Das müssen Sie gerade sagen!«, höhnte Sun-Tarin. »Ich weiß zwar nicht viel über Ihr Volk, aber genug, um zu wissen, dass Sie ursprünglich nur für den Kampf gelebt haben und Krieg Ihr gesamter Lebensinhalt war.«
»Das stimmt. Doch dies geschah zu einer Zeit, als wir noch nicht erkannt hatten, dass es ein übergeordnetes Schöpfungswesen gibt. Von dem Tag an, als uns das bewusst wurde, haben wir zwar immer noch unsere kriegerische Tradition am Leben erhalten, aber nie wieder gegeneinander Krieg geführt. Das gilt als schlimmstes Verbrechen unter uns, einen anderen Shisheni anzugreifen oder ihm Leid zuzufügen. Wir führen auch gegen kein anderes Volk Krieg. Wir verteidigen uns nur, wenn es nötig ist und
Weitere Kostenlose Bücher