Sternenfaust - 074 - Kern der Macht (2 of 2)
Gefahr drohen könnte. Zumindest nicht von den Snioranku. In dem Punkt war er sich sicher, ohne dass er hätte sagen können weshalb. Er wusste einfach tief in seinem Inneren mit einer unerklärlichen Sicherheit, dass sie von denen nichts zu befürchten hatten. Nein, hier lauerten andere Gefahren, auch wenn sie die meisten Zeit über unsichtbar blieben, bis sie unerwartet zuschlugen.
Warum habe ich von diesen Spinnen geträumt? , überlegte er, während er durch die leeren Gänge der Siedlung ging und den Weg zur obersten Plattform einschlug. Sie sind lästig, aber nicht gefährlich. Und ich habe doch noch nie unter einer Spinnenphobie gelitten.
Doch etwas an den Spinnen war seltsam, ohne dass William hätte sagen können, was das war. Er dachte immer noch über seinen Traum nach, als er die Plattform erreichte und auf den ersten Blick merkte, dass er nicht der Einzigste war, der nicht schlafen konnte und diesen höchsten Punkt der Siedlung für einen guten Ort der Kontemplation hielt. In einer Ecke stand Sun-Tarin an einen Stützpfeiler gelehnt und sah hinaus auf die Ebene zu Füßen der Siedlung, von der kaum etwas zu erkennen war. Da der künstliche Himmel dieser Sphäre keinen Mond besaß, wurde die Ebene nur von den Nachtlichtern der Siedlung, die in den Rand der Fundamentplattform eingelassen waren, bis zu einer Reichweite von etwa fünfzig Metern beschienen.
Sun-Tarin war vor über einem Jahr als erster und bisher einziger Austauschoffizier der Kridan auf die STERNENFAUST gekommen. Nach anfänglichen Schwierigkeiten, bei denen die Ressentiments einiger Crewmitglieder die unrühmliche Hauptrolle gespielt hatten, hatte er sich gut eingelebt und wurde weitgehend akzeptiert. Bruder William war abgesehen von Captain Frost und Commander van Deyk der Erste gewesen, der den Kontakt zu ihm gesucht hatte. Seitdem war kaum ein Tag vergangen, an dem sie sich nicht in der Kantine oder anderswo getroffen und auf überaus fruchtbare Weise ihre Gedanken ausgetauscht hatten. Und auch jetzt hatte der Christophorer das Bedürfnis, wenn Sun-Tarin es zulassen würde, ein paar Worte mit dem Kridan zu wechseln. Die frische Luft und ein Gespräch würden schon die letzten Reste des beunruhigenden Traumes aus seinen Gedanken vertreiben.
*
Sun-Tarin ließ den Blick über die nur schwach im Licht der Siedlung erleuchtete Landschaft schweifen. Seitdem sie in die Gefangenschaft, erst der Morax und dann von Denuur, geraten waren, arbeiteten seine Sinne mit erhöhter Effizienz. Ständig vermutete er hinter jedem Geräusch, hinter jedem Felsbrocken und in jeder unbekannten Situation, der sich die Überlebenden der drei Expeditionsschiffe stellen mussten, eine besondere Gefahr für ihr aller Leben. Wahrscheinlich war dies sogar der Fall. Nichtsdestotrotz wünschte sich Sun-Tarin eine Phase der Ruhe, in der er wieder einmal meditieren und sämtliche Gedanken, die ihm im Kopf herumschwirrten, sortieren konnte. Die ständige Anspannung zehrte auch an seinen Nerven.
Alarmiert wandte er ruckartig den Kopf, als er leise Schritte hinter sich vernahm. Seine an die Dunkelheit gewöhnten und überaus scharfen Vogelaugen erblickten einen müde aussehenden Bruder William, der sich ihm näherte. Sun-Tarin entspannte sich.
Der Christophorer war unter den Menschen, mit denen er auf der STERNENFAUST Dienst tat, einer der wenigen, mit denen er wirklich gerne Zeit verbrachte. Niemals hatte er von dem Mönch irgendwelche Ressentiments in Bezug auf seine Art oder seinen Glauben vernommen. Die Toleranz dieses Gläubigen verwunderte ihn immer wieder aufs Neue – zwar glaubte auch Bruder William an den einzig wahren Gott, legte dessen Lehren aber wie so viele Kridan seit der Machtergreifung Satren-Nors einfach falsch aus.
William räusperte sich leise, als er noch ein Stück entfernt war. »Störe ich Sie, Sun-Tarin?«
»Nein, durchaus nicht, Bruder William.« Der Kridan wandte ihm sein Vogelgesicht mit den ausdrucksvollen dunklen Augen zu. »Es ist schwer, in diesem riesigen Gefängnis Ruhe zu finden. Immerhin besteht die Möglichkeit, dass wir alle hier sterben werden. Der Tod kann uns jeden Augenblick ereilen.«
»Da haben Sie recht«, stimmte William ihm zu.
Die Menschen haben Angst vor dem Tod. Das war Sun-Tarin klar. Als gläubigen Gottes-Krieger störte ihn der Gedanken an seine eigene Vergänglichkeit kaum. Er war Soldat, ehemaliger Tanjaj und Captain in der Flotte des Kridanischen Imperiums. Er wäre mit Freuden für seinen Glauben und
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