Sternenfaust - 074 - Kern der Macht (2 of 2)
»würde ich das als einen ganz normalen Albtraum abtun, der unter den Umständen, in denen wir uns befinden, ganz normal ist. Aber ich habe das starke Gefühl, dass mehr dahintersteckt.«
Sun-Tarin nickte, eine Geste, die er den Menschen abgeschaut hatte und im Umgang mit ihnen entsprechend benutzte. »Ich kenne solche Träume auch«, gestand er. »Und auch ich tue sie nicht als nächtliche Hirngespinste ab. Manche Träume haben eine tiefere Bedeutung, sind eine Warnung. Oder sie dienen der Verarbeitung unserer Ängste. Könnte das bei Ihnen der Fall sein?«
»Auf mich trifft das nicht zu«, erklärte William. »Ich habe mich noch nie vor Spinnen gefürchtet. Im Gegenteil. Als Kind habe ich zeitweilig nichts lieber getan, als sie entweder in der Natur oder auch im Haus stundenlang zu beobachten, ihnen beim Netzweben zuzusehen und sie sogar zu füttern. Das ist es also nicht. Und gerade deshalb bin ich so beunruhigt.«
Sun-Tarin dachte nach, und auch William schwieg. »Nun, ich bin bereits selbst zu der Vermutung gekommen«, sagte der Kridan schließlich, »dass es mit diesen Spinnentieren eine besondere Bewandtnis haben könnte. Diese Spinnenartigen scheinen überhaupt keinen Daseinszweck zu haben. Zumindest keinen, den wir erkennen könnten. Ich habe diese Tiere in den letzten Tagen hin und wieder beobachtet. Sie scheinen nicht einmal zu fressen. Sie scheiden auch keine Exkremente aus. Zumindest keine, die mein Scanner messen kann. Außerdem hat Captain Frost von den Morax die Information, dass diese Spinnchen in irgendeinem Zusammenhang mit Denuur stehen. Es besteht also nach meiner Einschätzung durchaus die Möglichkeit, dass Ihr Traum uns einen Hinweis gibt auf die Aufgabe oder Fähigkeit der Spinnen. Oder etwas anderes.«
William machte eine zustimmende Geste. »Ich denke, wir sollten unsere Beobachtung der Spinnentiere intensivieren. Würden Sie mich dabei unterstützen?«
»Gern, Bruder William. Vielleicht finden wir etwas dabei heraus, das uns allen nützt.«
Der Kridan und der Christophorer diskutierten noch eine Weile weiter über ihre Situation, so dass selbst der geschulte ehemalige Tanjaj mit seinen geschärften Sinnen nicht bemerkte, dass sie aufmerksam beobachtet wurden …
*
Die Wache der Wesen der Kristallenen Welten hob grüßend einen Tentakel, als sie Alirr erkannte und gab eine Reihe von Trillern, Zischen, Flöten und ein Stakkato von klackenden Lauten von sich, die aus seinen Kiemenschlitzen drangen und wohl eine Begrüßung darstellten. Alirr antwortete in ihrer eigenen Sprache, wohl wissend, dass keiner von ihnen den anderen verstehen konnte. Doch das machte inzwischen nichts mehr aus.
Als die Wesen der Kristallenen Welten zum ersten Mal bei Kroluan-She’eyu aufgetaucht waren, hatte sich schnell herausgestellt, dass beide Völker friedlichen Gemüts waren. Die Snioranku hatten den Kristallweltlern sogar am Anfang geholfen, sich am Rand ihres Gebietes eine Siedlung zu schaffen, die aus einem ausgedehnten Höhlensystem bestand, in dem sie sich während der meisten Zeit des Tages aufhielten.
Obwohl sich ebenso schnell herausgestellt hatte, dass ihre jeweilige Physiognomie zu unterschiedlich war, als dass ein Volk die Sprache des anderen hätte lernen, geschweige denn aussprechen können, hatten sie doch eine gut funktionierende Form der Verständigung entwickelt: eine eigens zu diesem Zweck entwickelte Schrift. Die Wissenschaftler beider Gruppen hatten sich für etliche Tage zusammengesetzt, alle möglichen Gegenstände genommen und in ihrer eigenen Schrift dessen Bezeichnung aufgeschrieben. Aus den beiden unterschiedlichen Schriften hatten sie daraufhin gemeinsame Symbole für alle Gegenstände entwickelt und danach die Prozedur für alle möglichen Tätigkeiten wiederholt. Am Ende besaßen sie eine gemeinsame Schriftsprache, mit der sie sich gut verständigen konnten. Dadurch hatten die Snioranku auch erfahren, dass die Neuankömmlinge sich Wesen der Kristallenen Welten nannten. Deren Bezeichnung für die Snioranku lautete Innere Wächter der Weltenformer .
Wenn sie jetzt miteinander in Kontakt traten, führten sie von den Kristallweltlern entwickelte Schreibbildschirme mit sich, auf deren Oberfläche sie mit einem dünnen Holzstück oder Stein die Symbole ihrer gemeinsamen Sprache malen konnten. Durch ein festes Streichen über die gesamte Oberfläche wurde das Geschriebene wieder aufgelöst und der Bildschirm konnte neu beschrieben werden.
Was führt dich zu uns mitten
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