Sternenfaust - 082 - Gotteskrieger
Bruder William versteht sie.« Er schwieg sorgenvoll. Da er durch seinen Armbandkom die ganze Zeit überwacht worden war, hatte er nie die Gelegenheit gehabt, offen zu sprechen. Hoffentlich verstand der Christophorer, worauf es ankam und worauf er zu achten hatte.
»Was hast du vor?« Wanda nahm das Gerät mit spitzen Fingern entgegen. Sie schien dem Lagerungsort des Gerätes zu misstrauen.
»Ich werde Satren-Nor retten. Das habe ich Milgor versprochen. Und Gott. Genau genommen habe ich einen Deranon geleistet, einen Gottesschwur. Ich habe geschworen, dich und Satren-Nor wieder heil in Sicherheit zu bringen. Sollte mir das nicht gelingen, werde ich mich dem Jakan unterziehen.«
»Dem Jakan ?«
»Es ist ein Selbstmordritual.«
»Im Kridanischen Reich gibt’s wohl keinen Platz für Versager.«
Sun-Tarin sah sie eindringlich an. »Der Deranon ist ein Schwur, der vor Gott selbst geleistet wird. Und sein gegebenes Wort an Gott bricht man nicht. Es gibt nur sehr wenige Kridan, die das in den letzten Jahrtausenden gewagt haben. Ein solcher Bruch zeichnet dich wie das Brandmal eines Klaueneisens. Es ist die heilige Pflicht, sich im Falle des Scheiterns zu seinem Versagen zu bekennen.«
»Dann hoffe ich, du versagst nicht«, meinte Wanda ernst. »Denn ich brauche dich noch.«
Sun-Tarin ersparte ihr die Frage, ob sie ihn nur brauchte, um von hier zu entkommen, oder ob sie sich auch um ihn sorgte. Er hatte ihre Freundschaft zerbrochen und es war falsch, die Scherben wieder zusammenfügen zu wollen.
Er griff zu der silbernen Tasche, in der auch eine sehr lange, hauchfeine kridanische Schere lag – zwei Klingen, die gegeneinander bewegt werden konnten.
»Ich brauche noch einen Darren-Nor von dir, ehe ich dich hier absetze.«
»Einen was?«
»Einen Beweis für deinen Tod.« Er sah die Furcht in ihren Augen. »Ein paar deiner Haare müssten genügen.«
»Meine Haare?« Wanda klang entrüstet.
Sun-Tarin war verwirrt. »Was ist daran so schlimm? Das tut euch Schnabellosen doch nicht weh?«
»Aber …« Wanda sah ihn zornig an. »Schon gut. Wenn es nicht anders geht.«
Er packte eine lange Strähne und schnitt sie ab. Das darauf folgende Gejammer der Menschenfrau konnte er nicht verstehen. Hatte sie doch Schmerzen? Fühlten die Schnabellosen vielleicht mehr in diesen weichen Zotteln, als sie zugaben? Oder waren ihnen Haare so wichtig?
»Wenn alles gut geht, bin ich bis zum Untergang der beiden Sonnen wieder hier. Mit Satren-Nor. Wenn nicht, bin ich tot.« Er legte eine silberne Schutzdecke um Wandas Schultern. »Falls es regnet.«
»Beeil dich.«
Sun-Tarin nickte. »Möge Gott bei dir sein und über dich wachen.« Er wandte sich ab und ging zurück zu seinem Eran. Jetzt konnte er nur hoffen, dass sein Onkel ihm weiterhin vertraute. Aber das würde schwierig sein, da er Wandas Leiche nicht vorzeigen konnte. Sun-Tarin presste seine Schnabelhälften entschlossen aufeinander. Es gab einen Weg, sich das Vertrauen seines Onkels doch noch zu sichern.
Einen unbequemen Weg. Aber er war Tanjaj. Bequemlichkeit war für ihn ein Fremdwort.
*
Klin-Tar hatte Albträume. Immer wieder erwachte er schweißnass. Zweimal schon hatte er überlegt, sich mit dem Kurison in seiner Schnabelfalte das Leben zu nehmen. Er war ein Verräter am Kridanischen Reich. Eine Marionette des selbsternannten Mar-Tanjaj Feran-San. Was war, wenn er sich irrte? Wenn der Prediger doch Gottes auserwähltes Kind war? Würde Gott dann nicht ihn, Klin-Tar, mit aller Härte bestrafen?
Wegen seiner großen Ähnlichkeit zu Satren-Nor hatte man ihn auserwählt, zu einem Maskenträger der Vedenka zu werden. Er hatte die Vedenka nie leiden können. Diese Organisation war wie ein schleichendes Gift und als Tanjaj bevorzugte er den offenen Kampf.
Doch es war auch keine Notwendigkeit gegeben, Treue zu den Vedenka zu empfinden. Es genügte, der letzten Zelle des Wahren Glaubens anzugehören, die ihr Geheimversteck auf Kapelis II hatte. Er war ein Krieger und er wollte wieder in den Kampf ziehen. Vielleicht war es auch ein psychologischer Konflikt, der ihn in die Arme des Mar-Tanjaj der Selif getrieben hatte: Sein großes Vorbild, seine Galionsfigur Narel-Dal, war während der Schlacht bei Konors Stern ums Leben gekommen. Dort, in der letzten Schlacht der Kridan, hatte der Tanjaj, den er von allen am meisten respektiert hatte, den Märtyrertod gefunden. Narel-Dal war sein Mentor gewesen, doch zur Zeit dieser Schlacht war Klin-Tar schwer krank gewesen.
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