Sternenfaust - 115 - Der Feind im Verborgenen
oder auf sie hinauf zu bewegen.
Jeder der Rennteilnehmer hatte da seine ganz eigene Idee, wie man dabei vorzugehen hatte. Während einige mit teils akrobatischen Sprüngen aus dem Stand in die Höhe schnellten, um sich dann an einer Kante festzuhalten und hochzuziehen, rannten andere ungebremst auf Hindernisse zu und versuchten mit schnell ausgeführten Tritten quasi die Wände hinaufzugehen. Bei leichten Schrägen hatte das den Vorteil, den eigenen Schwung nutzen zu können. Steilere Hindernisse jedoch konnten zum Problem werden, wenn man keinen Halt fand oder hängen blieb, und somit mit voller Wucht gegen das Objekt knallte.
Doch falls so etwas mal vorkam, was selten genug der Fall war, dann ließ sich der Läufer nicht beirren und nahm erneut Anlauf. Bis jetzt hatten alle Teilnehmer auch die schwierigen Passagen spätestens beim zweiten Versuch geschafft. Sie waren halt die Besten ihres Faches, und das sah man ihnen auch an.
»Der absolute Wahnsinn!«, freute sich Jason. »Ich frage mich wirklich, wie lange man trainieren muss, um so eine Perfektion in die Beherrschung seines Körpers zu bekommen. Ich meine, ich strauchele ja schon manchmal beim Treppensteigen, aber diese Jungs und Mädels …« Kopfschüttelnd blickte er Polina an.
Die ließ in einem Grinsen ihre weißen Zähne sehen und meinte: »Das könnten Sie auch, wenn Sie nur wollten. Ein bisschen Übung und schon würden Sie jedem Fassadenkletterer Konkurrenz machen.«
»Meinen Sie wirklich?«
»Klar doch!« Sie legte ihre Hand auf seinen Unterarm und nahm den wohligen Schauer wahr, der ihn dabei durchfuhr. »Es freut mich, dass es Ihnen wieder besser geht.«
Jason McVellor sah verlegen zur Seite und hustete kurz. »Ich weiß auch nicht, was da vorhin los war. Im Nachhinein komme ich mir so … selten dämlich vor, ohne Grund in vollkommene Panik ausgebrochen zu sein.« Er nahm etwas Sand vom Boden und ließ ihn gedankenverloren durch seine Finger rieseln. »Das ist sonst wirklich nicht meine Art, das müssen Sie mir einfach glauben …«
Polina streichelte jetzt mit den Fingern über die nackte Haut seines Armes bis zum Ellenbogen. Die Gänsehaut blieb, dabei fühlte er sich alles andere als kalt an.
Vielmehr warm und weich und … Wunderbar! , dachte Polina, die merkte, wie sehr sie es genoss, sich in Jason McVellor zu verlieben. Ihr Kopf näherte sich seiner Schulter und mit genießerisch geschlossenen Augen schmiegte sie sich an ihn. Sie spürte, wie auch er näher an sie heranrückte, und bald hatte er seinen Arm um sie geschlungen und legte seine Hand auf ihre Hüfte.
Im Hintergrund war das Hauptfeld der Parcours-Läufer davongezogen. Ab und an sah man sie noch aus irgendwelchen Untiefen und Gässchen auftauchen und über ein Hüttendach flitzen.
Aber das interessierte Jason McVellor und Lieutenant Polina Stokke nicht mehr. Ihre Gesichter nahmen jetzt nur noch einander wahr und bewegten sich in der Erwartung eines ersten Kusses aufeinander zu …
… als Jason plötzlich laut aufschrie und mit schmerverzerrtem Gesicht, den Kopf in beide Hände gepresst, auf die Seite fiel!
Schmerz! Unerträglicher Schmerz!
Die Attacke ließ nur langsam nach, und während Jason nach Atem rang schaute er aus zusammengekniffenen Augen hinauf in das erschrockene Gesicht Polinas. Sie schien ihn etwas zu fragen, aber er verstand sie nicht. Ihr Mund bewegte sich, sie sprach mit ihm, aber er hörte ihre Worte nicht. In seinem Kopf herrschte ein akustisches weißes Rauschen, durchsetzt von einigen undeutlichen Basstönen, die möglicherweise Polinas Stimme sein konnten.
Aber wer konnte das schon mit Gewissheit sagen?
Jason versuchte sich aufzurichten, indem er die Hände vom Kopf nahm, in dem der Schmerz jetzt doch langsam aber merklich abklang, und versuchte, sich mit den Armen in die Höhe zu drücken.
Mit jedem kleinen Bisschen, dass sein dröhnender Schädel sich klärte, hörte er auch wieder besser.
Als hätte jemand durch einen lauten Knall dafür gesorgt, dass ich zeitweise taub geworden bin! , dachte McVellor und probierte, ob er Polina, die weiter beunruhigt auf ihn einsprach, wieder verstehen konnte.
»… Sie mich? Jason, können Sie mich hören? Was ist los mit Ihnen?«
Ein paar Zuschauer hatten das Interesse an dem Rennen verloren und sich statt dessen ihnen zugewandt.
Blinzelnd brachte sich Jason in eine aufrecht sitzende Position und schaute in die Runde. »Schon gut, Leute«, sagte er in dem lockersten Tonfall, den er zustande im Moment
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