Sternenfaust - 139 - Jagd auf Nickie Berger
gerät.«
*
Das leise Surren, das die Triebwerke des Luftgleiters erzeugten, war nahezu hypnotisierend. Izanagi Narada lehnte sich in seinem mit schwarzem Leder bezogenen, gepolsterten Sitz zurück, strich mit den Fingerspitzen über die Armlehne und atmete tief durch. Die Eiswürfel in dem Glas mit dem Syntho-Drink neben ihm klirrten leise, Resultat der Vibrationen, die durch das Schiff liefen. Der Teller mit den Käsebroten, den er sich in der kleinen Kombüse zurechtgemacht hatte, stand unangetastet daneben, ein schmackhaftes Versprechen.
Irgendwie, fand Izanagi mit einem wohligen Seufzer, hatte diese ganze Aktion auch ihre Sonnenseiten.
Er schloss die Augen. Öffnete sie wieder. Schloss sie.
Das Licht der Sonne, die von Wolken ungehindert durch die Kabinenfenster drang, drang sogar noch durch seine Lider. Izanagi lächelte. Okay, Sonne, du gewinnst.
Also öffnete er die Augen wieder, schob seinen Sitz mit dem Fuß ein wenig nach rechts und schaute hinaus aus dem Fenster. Strahlend blauer Himmel, soweit das Auge reichte. Die löchrige Wolkendecke darunter sah aus wie Schlagsahne, und wenn er sich vorbeugte und den Kopf hob, konnte er sogar schon die ersten Sterne durchschimmern sehen, glitzernde Konstanten am Firmament über dem Atlantik.
Es war ein friedlicher Moment. Einer, der den ehemaligen Christophorer fast glauben ließ, wieder ganz in sich zu ruhen. Einzig die Aussicht auf das Ziel dieser Reise brachte ihn um dieses Vergnügen – und das monotone Blip, blip mit dem der Bordcomputer nach wie vor den Kurs von Nickie Berger anzeigte, dem sie mit Überschallgeschwindigkeit folgten. Laut al Khaled, mit dem Izanagi die Freude hatte, sich das kleine, sehr zweckmäßig ausgestattete Cockpit zu teilen, hatten sie bereits einiges an Vorsprung aufgeholt und waren der geflohenen Rebellin wieder recht dicht auf den Fersen. Die Subregion Deutschland war nah.
Aber das alles wäre auch einfacher gegangen …
Izanagi seufzte leise. Es bereitete ihm Probleme, den Gedanken abzuschütteln, sich statt einer wichtigen Mission einer persönlichen Vendetta angeschlossen zu haben. Insbesondere da diese, so es denn der Fall war, unter Umständen einer effizienteren Alternative im Weg stand. Eigentlich war die Situation längst zu ernst für Experimente, oder? Izanagi hoffte inständig, dass der Commander diese Ansicht teilte und genau wusste, was er tat – doch er traute sich nicht, den hochgewachsenen Mann persischer Abstammung darauf anzusprechen. Weil er nicht wusste, ob er die Antwort würde ertragen können.
Eine kleine Unregelmäßigkeit im sonoren Summen und Biepen des Gleiters riss ihn aus seinen Gedanken. Von einem Augenblick zum nächsten hatte sich das piepsende Geräusch der Zielerkennung verändert. Es wurde schneller und seltsam unrhythmisch. Izanagi blinzelte.
»Ist alles in Ordnung?«, fragte er. »Hört sich an, als … na ja, als habe sich Bergers Herzschlag beschleunigt. Vielleicht rennt sie gerade.«
Al Khaled fluchte leise. Dann sagte er: »Sie vergessen, dass wir nicht ihrem Herzschlag folgen, sondern dem Reagenzstoff in ihrem Blutkreislauf! Und dieser Kreislauf geht nicht joggen, Narada. Es macht den Anschein, als habe er sich gerade zweigeteilt.«
»Was?«, fragte der junge Mann irritiert. »Wie soll das möglich sein? Sie kann sich doch nicht spontan verdoppeln.«
»Richtig«, bestätigte der Commander durch zusammengebissene Zähne. »Deswegen hat sie sich auch soeben verdreifacht. Nein, vervierfacht … fünf? «
Al Khaled deutete auf den zentralen, knapp fünfzehn Zoll messenden Monitor in der Mitte seiner mit blinkenden Lichtern und spiegelglatt polierten Anzeigen nicht geizenden Pilotenkonsole. Darauf war ein Satellitenbild zu sehen, wie Izanagi es schon aus Dr. Bozinskys Labor kannte: eine Großaufnahme der Gegend, durch die sich Berger gerade bewegte. Ein blinkender weißer Klecks wies auf ihren genauen Aufenthaltsort hin.
Nur waren es nun weit mehr als nur einer!
»Sechs … sieben …« Der Commander zählte jeden neu hinzukommenden Punkt mit einer Ruhe, die seiner angespannten Haltung Hohn zu sprechen schien. Seine geschwollen wirkende Halsschlagader zuckte den Takt dazu. »Und es werden immer mehr. Verdammt! Entweder klont da gerade jemand im Sekundentakt Nickie Bergers, oder wir sind aufgeflogen.«
Izanagis Gedanken überschlugen sich. Er begriff, dass ihre Verfolgung gestört werden sollte. Der GalAb-Scan suchte nach dem Reagenzstoff. Er war der Haken, an dem der
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