Sternenfaust - 147 - Blinder Hass (1 of 2)
Meutereien vorgebeugt werden. Rivin-Tur wusste davon und war nicht besonders davon angetan gewesen, dass der Mar-Tanjaj sich ihre gurrenden Liebeslaute zu seinem persönlichen Vergnügen wieder und wieder vorspielen konnte.
Diesen ganzen Aufwand hat sie nur betrieben, um mit mir sprechen zu können , dachte Tagnor-Fin. Damit wir uns auch über diese lange Distanz nahe sein können. Und wer weiß, vielleicht komme ich nie mehr aus diesem Kampf zurück?
Auf einmal überkam ihn eine große Sehnsucht. Er wollte mit Rivin-Tur sprechen. Jetzt! Ganz egal, ob sie wieder vom Frieden sprach, von irgendwelchen wissenschaftlichen Dingen, die ihn nicht interessierten. Nur ihre Stimme war wichtig, ihre klare, weiche Stimme, die ihn daran erinnerte, warum er sich so wohl in ihrer Nähe fühlte.
Tagnor-Fin stakste hinüber zum Spind mit seiner persönlichen Habe. Er hatte das Gerät in dem Kasten mit den Heiligen Schriften versteckt, der in jedem Quartier des Vulture-Nova-Raumers zu finden war. Zur geistigen Erbauung hatten die Tugendwächter sie dort platziert. Es war eine rechteckige Schachtel mit kleinen bedruckten Kunststoffplättchen darin, auf denen Weisheiten vergangener Raisa und berühmte Gebete zu lesen waren.
Der junge Tanjaj nahm den Kasten aus dem obersten Fach seines Schrankes. Vorsichtig öffnete er ihn und nahm das kleine Funkgerät heraus.
Gleich höre ich sie, meine geliebte Rivin-Tur …
Er hatte die Kralle schon auf dem Auslöser, als ihn ein Schwall von Übelkeit erfasste. Er würgte fast und hustete krächzend. Seine Nieren zogen sich zusammen, und rote Flüssigkeit tränte ihm aus den Augen. Er fühlte sich … so unendlich erschöpft! So schwach! So … feige?
Kaum hatte er diesen Gedanken gehabt, flauten die Symptome der Erschöpfung wieder ab. Waren sie eine körperliche Reaktion drauf, dass er beinahe schwach geworden war? Dass er bereit gewesen war, zu glauben, er könne nicht siegreich sein? Dass er glaubte, diese letzte Möglichkeit, eine paar Worte mit seiner Geliebten zu wechseln, wahrnehmen zu müssen, weil er nicht mehr zu ihr zurückkehren würde?
Tagnor-Fin wusste, dass es so sein musste. Die ständigen Reden des Mar-Tanjaj, die Meditation, all diese suggestiven Dinge, hatten ihn zu einem wahren Krieger werden lassen, der allein schon beim Gedanken, geschweige denn bei Taten, die Schwäche ausdrückten, Schmerzen in den Nieren bekam.
»Ich war gegenüber dem Mar-Tanjaj unehrlich und schwach«, krächzte er leise. »Ich habe mich von einer schönen Ei-Legerin einlullen lassen und habe ihre Feigheit übernommen«, sagte er vor sich hin, wie um sich selbst zu überzeugen.
Er legte das Kommunikationsgerät zurück in die Schachtel mit den Heiligen Schriften, verschloss sie und stellte sie zurück an ihren Platz.
Tagnor-Fin knickte in den Kniegelenken ein und hockte sich in demütiger Gebetshaltung auf den Boden seiner Kabine. »Heiliger Gott, hilf mir, nur dieses eine Mal, nicht schwach zu sein …«
*
S.C.S.C. STERNENFAUST, HD-Raum bei TASO-26.267, etwa 90 Lichtjahre südlich von Karalon, 15. August 2211
Vince ging den breiten, hell erleuchteten Zentralgang des C-Decks hinunter. Sein Ziel waren die Gastquartiere. In etwa sechzehn Stunden würden die Kridan im Sol-System aus dem Bergstromraum fallen, während die STERNENFAUST noch über zwei Tage benötigte, um an den Ort des Geschehens zu gelangen. In gut einem Tag würde das Schiff Karalon erreichen, und eben dieser Zwischenstopp in direkter Nähe zum Wurmloch Alpha hatte Vince dazu bewogen, jene eher ungebetenen Gäste aus dem Volk der J’ebeem auszuschleusen, die von der STERNENFAUST bei Helemaii’nu aufgefischt worden waren.
Zwei Besatzungsmitglieder, deren Uniform sie als Techniker auswies, grüßten vorschriftsmäßig, was Vince mit einem knappen Nicken beschied. Ihm entging nicht der lauernd-neugierige Blick, mit dem sie ihn ansahen. Sein Aufenthalt bei den Basiru-Aluun und die von ihnen initiierte Gedanken-Projektion, die ihn bis zur Belastungsgrenze geführt hatte, dürften bereits die Runde gemacht haben. Vince war immer noch sehr mitgenommen, und er wusste, dass man ihm das ansah. Doch als Kommandant des Schiffes sah er sich in der Pflicht, und die Zeit war noch nicht gekommen, sich eine Pause zu gönnen. In einer halben Stunde würde er ein Gespräch mit Lieutenant Mary Halova führen, die ihm von ihren Erkenntnissen, die sie auf dem Planeten Fal gewonnen hatte, berichten wollte.
Zuvor allerdings galt es,
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