Sternenfaust - 152 - Am Scheideweg (2 of 2)
Krankenstation!
Das Aussehen des obersten Alendei mit einem Häufchen Elend zu vergleichen, wäre eine Beleidigung für alle Häufchen Elends gewesen. Sein Gesicht war eingefallen und faltig, seine Augen von dunklen Ringen untermalt, sein Blick fahrig geworden. Als ob er zehn Jahre gealtert ist , dachte Dana. Ach was, zwanzig. Die Ironie entging ihr keineswegs, doch sie wusste auch von dem Schmerz, der die Ursache von Turanors Zustand war. Schließlich kämpfte die Besatzung der STERNENFAUST seit ihrer Ankunft in diesem Bereich des Alls darum, genau diesen Schmerz zu lindern – bisher ohne Erfolg.
Turanor sah kurz zu ihr und Ashkono, dann trat er auf Izanagi zu, der ihm mit sichtlicher Erleichterung im Antlitz entgegenblickte.
Dana trat ihm in den Weg. »Wagen Sie es ja nicht!«, drohte sie leise. »Was immer Sie vorhaben, halten Sie sich von Izanagi fern, klar? Ihretwegen ist er hier, mehr tot als lebendig. Wir tun, was immer in unserer Macht steht, um ihrem Volk zur Seite zu stehen, und wir fühlen mit Ihnen, das müssen Sie mir glauben – aber ich kann und will nicht zulassen, dass Sie abermals die Gesundheit dieses Mannes riskieren. Es muss andere Wege geben, Turanor!«
Es war absurd: Sie hatte das All bereist und Gefahren überlebt, Risiken gemeistert, die weitaus präsenter und bedrohlicher gewirkt hatten, doch in diesem einen Moment schien ihr die Anwesenheit des schweigsamen Mannes mit dem schwarzen Haar die größtmögliche Bedrohung zu sein. In diesem Augenblick war ihr, als seien mit den Falten und körperlichen Zipperlein des mittleren Alters auch der Mut und die Erfahrung von ihr gegangen. Als sei sie tatsächlich ein junges Ding, trotzig und doch verängstigt.
Oder lag das an ihm? Bilder erschienen vor Danas geistigem Auge, die keine Produkte ihrer Fantasie sein konnten . Überflutete Landstriche, ausgedörrte Wüsteneien. Gegenden, die sie nie besucht hatte, nicht Teil ihrer Erfahrungen waren.
Er greift nach mir! , schoss es ihr durch den Kopf, und die Panik, die mit der Erkenntnis einher ging, war fast mehr, als sie zu ertragen imstande war. Er sendet mir mentale Eindrücke, will mich an seinem Gedankenmeer teilhaben lassen! Wie er … Wie er Izanagi schon …
NEIN!
Dana Frost wehrte sich. Immer noch zwischen Izanagi und Turanor stehend, schüttelte sie den Kopf, als könne sie den ungewollten Fremdeinfluss dadurch von sich werfen. Sie ahnte, dass der alendeische Besucher ihr kein Leid zufügen, sondern ihr Dinge sagen, Dinge zeigen wollte – doch die siebenundzwanzigjährige Panik war stärker als der über fünfzigjährige Verstand. Hatte das etwa Izanagi gerettet? Hatten Turanors gute Absichten ihn vor dem Schaden bewahrt, der ihm doch so offenkundig zugefügt worden war?
Nein. Nicht so. Nicht hier.
»Keinen Schritt weiter!«, rief Dana und meinte es körperlich wie geistig. »Kommen Sie nicht näher, Turanor!«
Neue Bilder. Ein Volk inmitten eines Sturmes, abgeschnitten von allem. Verloren. Hausdächer in der Luft, ein Himmel aus Zorn und Wolken.
Aufhören! Bitte endlich aufhören!
Es war genug! Sie starb(en) doch sowieso …
Ash keuchte, sagte irgendetwas, aber Dana hörte ihn kaum noch, verstand ihn nicht. Die fremden Eindrücke und die Angst waren zu stark, überlagerten alles.
Und aus der Tiefe ihres letzten Rests von eigenem Bewusstsein entsprang eine Bewegung. Dana griff zum Nadler an ihrer Hüfte, riss die Waffe in die Höhe, legte auf den obersten Alendei an …
Turanor zuckte nicht einmal mit der Wimper. In einer einzigen, blitzschnellen Bewegung hob er den Arm …
… und berührte Dana Frost an der rechten Wange! Genau dort, wo seit der Begegnung im »Auge des Universums« das rätselhafte Zeichen prangte.
Zwischenspiel 2 – Briefe an Peter
Es begann schleichend , schrieb er. So schleichend, dass wir es kaum bemerkten. Anfangs hielten wir es sogar für Spinnerei. Doch dann … Sätze, die man beendete, bevor der Gesprächspartner seine Absichten äußern konnte. Dinge, die man tat, bevor jemand darum bat – schlicht weil man wusste , spürte, dass der andere sie wollte. Um sie bitten würde.
Wir … Ich weiß nicht, wie ich es besser ausdrücken soll, von daher wähle ich den Begriff, den Barbarus prägte, bevor er starb … Wir ahnen uns. Wir wissen, was wir denken, spüren, was wir spüren. Wir sind uns nah. Näher, als wir es auf körperlicher Ebene je sein könnten.
Peter, dies ist nicht die Zukunft, die wir uns in Stuttgart erhofften. Mein Leben hat
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