Sternenfaust - 170 - Das Vermächtnis des Kridan
als zu warten.
Seine Geduld wurde allerdings auf eine lange Probe gestellt. Tanjaj schleppten Computer und Lasersysteme herein. Sie schlossen Schutzschirmprojektoren und Plasmageneratoren an armdicke Kabel an und schließlich verstellte Kassil-Nur die Temperatur der Kühlanlage. Dabei bemerkte er endlich, dass sein Schützling aufgewacht war. Der ehemalige Geheimdienstchef deutete mit einer Kralle erst auf den Sand, dann auf den Laser und schließlich auf Sun-Tarin.
Wollten sie ihn mit dem Sand befreien? Wie sollte das gehen?
Wieder wartete Sun-Tarin.
Die Kälte kroch von seinen Zehenkrallen über die Beine nach oben, bis er am ganzen Leib zitterte. Als die Eiseskälte seine Augen erreichte, konnte er gerade noch erkennen, dass Satren-Nor den Sand aus seinem Messlöffel vorsichtig in die Emitterkammer des Lasers streute, ehe der Gasblock um ihn bläulich zu schimmern begann und milchig wurde. Aber wenigstens wurde er nicht wieder bewusstlos.
Er starrte in die trübe Unendlichkeit, bis ihm bewusst wurde, dass ihn jemand rief. Nicht seinen Namen, aber von allen Seiten hörte er ein Wispern, das eindeutig ihm galt.
Gefangener raunten die Stimmen mehr in seinem Kopf als in seinen Ohren. Er schloss das Auge, um sich besser auf sie konzentrieren zu können. Gefangener!
Die Wenigen waren auch gefangen. Aber wir ließen es geschehen, weil ein Hörender mit uns gesprochen hat.
Jetzt sind wir frei. Auch du wirst frei sein.
Wir spüren, dass auch du ein Hörender bist. Nur schwach zwar, nicht wie der eine Hörende, aber stark genug, um uns zu verstehen .
Keine Hitze. Und doch lebensfeindlich. Die Wenigen werden dir helfen.
Die Wenigen entziehen deinem Gefängnis die Energie, verwandeln den durchscheinenden Stein.
Sun-Tarin lauschte dem Wispern, das ihn beruhigte. Er verstand zwar nicht, was es bedeutete, aber es ließ sein Herz langsamer schlagen und stabilisierte seinen Geist. War es das, was die Stimmen von ihm wollten? Dass sein Gehirn beim Entsteinern nicht den Dienst versagte?
Die Wenigen sind bei dir.
Staub zu Stein und Stein zu Staub.
Wie das Säuseln des Windes umgaben ihn die Stimmen.
Bald bist du kein Gefangener mehr. So wie die Wenigen.
Nutze dein Leben!
Die Laute vergingen, verblassten zu einem Hauch, der schließlich ganz aus seinem Kopf verschwand.
Sun-Tarin blinzelte. Da war kein Gasblock mehr, kein Gefängnis, in dem er versteinert eingeschlossen war.
Mit einem metallenen Klicken lösten sich die Greifarme, die seinen Körper aufrecht gehalten hatten. Sun-Tarin wollte einen Schritt machen, doch er knickte sofort nach hinten ein und strauchelte. Satren-Nor fing seinen geschwächten Körper auf und bugsierte ihn auf eine Antigravliege mit erhöhtem Rückenteil, die ein Tanjaj herbei schob.
»Danke«, wollte er sagen, doch nur ein heiseres Krächzen kam aus seinem Schnabel.
Seine Gedanken überschlugen sich, als er versuchte, zu verstehen, was gerade mit ihm geschah. Er war durch die Hölle gegangen und war aus ihr zurückgekehrt. Er hatte den Krieg erlebt und gesehen, wie viel Leid er brachte. Er, der Tanjaj, hatte lernen müssen, dass mit Krieg nicht alles ging. Oder lernte er es noch? Wenn Sand Leben brachte – und bloße Gedanken den Tod …
In seinem Schädel tobten die Jara-Stäbe.
Er sehnte sich nach Frieden und Ruhe, ein Gefühl, das er nicht einmal im Kloster auf Dornarat verspürt hatte. Dort hatte er tief in seinen Nieren noch immer den Krieg gewollt – so wie jeder andere Kridan. Aber in diesem Augenblick wollte er nichts mehr; keine Schlacht, keinen Krieg, kein sinnloses Töten.
Doch war er dann überhaupt noch ein Krieger?
*
In gierigen Schlucken trank Sun-Tarin aus dem Becher, den ihm Satren-Nor gereicht hatte. »Jetzt sind wir quitt, Friedensprediger«, sagte Sun-Tarin. Wie viel hatten sie schon gemeinsam erlebt? Von dem Bruch seines Schwurs, Satren-Nor zu töten, bei dem er stattdessen seinen Onkel Feran-San mit dem Kurison umgebracht hatte, über die gemeinsame Zeit als Lehrer und Berater von Seran-Pakor, bis zum letztendlich gescheiterten Putsch gegen den Raisa.
Satren-Nor blickte ihn lange an. »Es geht nicht um Begriffe wie quitt, oder Schuld und Sühne, mein Küken.«
Sun-Tarin war erheitert. Erstens war der Prediger kaum älter als er, obwohl er älter aussah, und zweitens spielte er wohl darauf an, dass er sich damals in der Spelunke als Dekan-Sun verkleidet hatte. Aber das Keckern blieb ihm offenbar im Halse stecken, denn sein richtiger Ei-Vater, der
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