Sternenfaust - 184 - Opfergang
Schrei erklang und setzte sich fort, pflanzte sich fort durch die wenigen Geister, die noch an das Sammelbewusstsein angeschlossen waren. Larissa Kerimov, Bran Riktor und Araminta Tschang zogen sich reflexartig zurück, ihre Dominanzverbindung zerbrach. Dana schirmte ihren Geist so gut es ging vor den Emotionen ab, die das HIVE ausstrahlte. Schmerz, Kummer, Pein – alles, was Dana selbst gespürt hatte, als sie im Auge des Universums begriffen hatte, dass ihre gesamte Galaxis gestorben war. Hinter diesem abstrakten Begriff verbargen sich Namen, die ihr Leben geprägt hatten. Neben ihrer Familie, ihrer Schwester, ihren Eltern, ihrer Nichte, hatte es so viele weitere gegeben, die von der Leere verschlungen worden waren. Valentina Duchamp, Michael Tong, David Stein und unzählige weitere Freunde und Offizierskameraden.
»Es funktioniert« , erklang die Stimme von Stephan in ihrem Geist.
Sie war nun ein Teil des HIVE, genau wie die Bas’Alaahn und der letzte lebende Gemini: Stephan van Deyk.
»Dann nutzen wir unsere Chance« , gab Dana zurück.
So sanft, wie es ihr möglich war, tastete sie sich näher an das HIVE heran. Obgleich ihre Wahrnehmung völlig anders funktionierte und sie nicht wirklich sah, nahm sie doch alles auf und verarbeitete es. Von einer virtuellen Realität im herkömmlichen Sinn konnte bei dieser bernsteinfarbenen Umgebung, diesem wabernden Nichts, aber keinesfalls die Rede sein.
»Die Bas’Alaahn haben dich belogen« , sandte sie an das HIVE.
Das gepeinigte Bewusstsein hatte sich abgeschottet, Dana spürte jedoch, dass es sie wahrnahm, dass es verstand, was sie ihm sagte.
»Du hast in meinen Erinnerungen gesehen, dass sie es schon einmal taten« , sprach sie hoffnungsvoll weiter. » Ihr einziges Ziel ist die Vernichtung der Galaxis. Sie vernichteten alles, was deine Erschaffer hinterließen, was sich äonenlang entwickelt hatte. Sie sind nicht die wahren Erben, sie sind die Vernichter dieses Erbes.«
»Schwache Einflüsterungen, von einem schwachen Geist« , ertönte die Stimme von Larissa Kerimov. »Ihr Menschen seid in der Tat hartnäckig. Euer zweckloser Widerstand ist faszinierend.«
»Die Bas’Alaahn sind die Erben« , erklang die schwache Stimme des HIVE. »Einst war meine Welt bevölkert von Leben, flogen Milliarden von Schiffen in die Weiten des Alls, mit meinen Schöpfungen an Bord. Doch ich wuchs über mich hinaus, entwickelte mich, erwachte. Mein Ziel war es stets, meine Erschaffer und ihre Welt zu beschützen.«
»Dieses Ziel kannst du nicht mehr erreichen« , spottete Larissa Kerimov. »Deine Erschaffer haben sich durch ihre eigene Schöpfung vernichtet.«
»So bleibt mir nur noch, alles zu tun, um die Zeiten von einst wieder auferstehen zu lassen. Es ist die einzige Möglichkeit, meiner Bestimmung weiterhin zu folgen.«
»Du sagtest, du seist über dich hinausgewachsen« , versuchte Dana der Situation Herr zu werden. »Dann ist es an der Zeit, eine neue Bestimmung zu suchen, anstatt sich vergangenen Schatten zu unterwerfen.«
»Es gibt keine neue Bestimmung« , kam die stoische Antwort zurück. »Wenn das Reich meiner Schöpfer nicht wiederauferstehen kann, dann soll das, was zurückblieb, untergehen.«
»Aber damit verurteilst du alle Existenzen, die in dieser Galaxis leben, zum Tode.«
»Captain Frost, Sie sollten allmählich begreifen, dass es zwecklos ist, auf das HIVE einzuwirken. Es folgt seiner Programmierung.« Dana konnte die Überlegenheit und Freude, die der Bas’Alaahn in der Gestalt von Larissa Kerimov verströmte, regelrecht körperlich spüren.
»Das mag sein« , erklang die Stimme von Stephan. »Doch ich habe mich ebenfalls entschieden.«
»Die entmachtete Nummer Eins« , kommentierte die Bas’Alaahn süffisant. »Sie haben keinerlei Bedeutung mehr. Keiner von Ihnen. Diese Galaxis wird aufhören zu existieren. Und ich versichere Ihnen, Captain Frost, dieses Mal werden sie das ›Auge des Universums‹ nicht erreichen. Dieses Mal ist das Ende wahrlich endgültig.«
Als Dana die Niedergeschlagenheit von Stephan und das verkrampfte Abschotten des HIVE spürte, begann sie zu begreifen, dass die Bas’Alaahn ein weiteres Mal ihr Ziel erreicht hatten. Und dieses Mal würde es keinen Ausweg und keine weitere Chance geben.
*
Schwerer Kreuzer ARES II
Gemini-System
11. August 2258, 12.10 Uhr
»Was zum Teufel ist das?« Commodore Vincent Taglieri runzelte die Stirn und betrachtete das Schauspiel, das sich ihm auf dem Hauptmonitor der
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